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Michael Braun will nach dem Desaster als Kurzzeit-Senator offenbar einen Neustart im Bundestag wagen.

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Bundestagswahl 2013: Berliner CDU streitet über Kandidaten

In der Hauptstadt-CDU rumort es mal wieder. Die Basis muss entscheiden, wer sich im nächsten Jahr um einen Sitz im Bundestag bewerben soll. Der in Berlin gescheiterte Kurzzeit-Senator Michael Braun will offenbar in den Bundestag wechseln.

Manche fürchten, es gehe wieder los in der Hauptstadt-CDU. Machtkämpfchen, Intrigen, übles Gerede übereinander - all das, was die Berliner CDU jahrelang betrieben und erst mit Frank Henkel hinter sich gelassen hatte. Die neue Unruhe, die spürbare Streitlust sind vielleicht nur die üblichen Eruptionen in der Parteienlandschaft vor einer Bundestagswahl. Da geht es der CDU nicht besser als der SPD.

Allerdings ist es in der Union ausgerechnet der wichtigste und stärkste Kreisverband, in dem es heftig rumort – Steglitz-Zehlendorf. Von dort kommen allein sieben Mitglieder des Abgeordnetenhauses und ein Bundestagsabgeordneter – Karl-Georg Wellmann. Hier hat die CDU 2011 bei der Abgeordnetenhauswahl 35,1 Prozent der Stimmen geholt (die SPD lag bei 25,1 Prozent, die Grünen holten 21,1 Prozent); nur in Reinickendorf steht die Union noch robuster da. Bei der Bundestagswahl 2009 waren es immerhin 34,1 Prozent gewesen, die CDU ließ Grüne und SPD deutlich hinter sich. Undenkbar für viele, dass die Union im Südwesten der Stadt nicht mehr stärkste Kraft wäre – doch das riskiert sie jetzt: Zwischen Wellmann und Michael Braun könnte es zu einem fiesen Streit um die Nominierung für die Bundestagswahl kommen. Direkt dazu äußern wollte sich keiner von beiden.

Wellmann, Anwalt und Notar, 59 Jahre alt und seit 2005 Bundesabgeordneter, möchte noch mal antreten. Braun, 56 Jahre alt, Anwalt und Notar und seit 1995 Mitglied des Abgeordnetenhauses, prüft derzeit die Atmosphäre in der Partei und der Stadt auf seine Chancen für einen politischen Neustart als Bundestagsabgeordneter nach dem Desaster um seine kaum zwei Wochen währende Amtszeit als Justizsenator. Die hatte er per Rücktritt beendet, weil ihm notarielle Geschäfte mit Schrottimmobilien vorgeworfen wurden.

Juristische Vorwürfe waren ihm nicht zu machen, darauf hat jüngst der für die Notare zuständige Präsident des Landgerichts hingewiesen. So gibt es jetzt einige in der Berliner CDU- Führung, die Braun auch politisch rehabilitieren wollen, womöglich eben durch ein Bundestagsmandat. Doch so einfach ist das nicht.

Schon jetzt zeichnen sich in so manchem, was erzählt wird, die Konturen eines hässlichen Streits zwischen Wellmann und Braun ab. Im Kreisverband haben beide wichtige Verbündete. Im Landesverband dürfte Braun mehr Fürsprecher haben – allerdings betrachten dort auch einige seinen brennenden politischen Ehrgeiz mit Skepsis. Braun habe nicht verstanden, was die Ursache für seine Probleme als Senator war, heißt es: Dass er nämlich nicht allein für Justiz, sondern eben auch für Verbraucherschutz zuständig war und fragwürdiges Verhalten als Notar damit einfach nicht zu vereinbaren war. Das werde eine Bundestagskandidatur begleiten, hört man – und es könnte die CDU im Südwesten wichtige Prozentpunkte kosten.

Warum Stefanie Vogelsang wohl nicht noch mal aufgestellt wird

Foto: dapd/Zinken
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Auch Wellmann hat nicht nur Freunde in seiner Partei. Manche finden, der Fachmann für Außenpolitik sei nicht präsent genug in Berlin. Andere erinnern spitz daran, wie Wellmann seine Prominenz gesteigert habe: etwa dadurch, dass er der Bundeskanzlerin und ihrer Euro-Rettungspolitik die Stimme bei einer wichtigen Abstimmung verweigerte; oder dadurch, dass er dem vormaligen Bundespräsidenten Christian Wulff den Rücktritt nahelegte, während die Vorwürfe der Vorteilsnahme auf diesen herunterhagelten. Unbotmäßigkeiten dieser Art werden in der CDU genau registriert – als parteischädigend. Nicht ausgeschlossen, sagen manche, dass in den kommenden Wochen weitere Fiesigkeiten den Weg in die Öffentlichkeit finden. Ohnehin steht den CDU-Mitgliedern im Südwesten eine debattenreiche Zeit bevor: Wellmann und seine Anhänger haben beantragt, die Kandidatenfrage nicht per Delegiertenentscheidung zu klären, sondern auf einer Mitgliederversammlung. Kreischef Braun sagt dazu, erst einmal müsse geprüft werden, was satzungsmäßig gehe. Das erinnert ein wenig an eine Phase vor mehr als zehn Jahren, als die Südwest-CDU mit einer ganzen Serie von Rechtsstreitigkeiten zwischen Funktionären monatelang vor sich hin filibusterte und politisch völlig lahm lag.

Nicht weniger streitlustig waren über lange Monate die Neuköllner CDUler – und die Bundestagsabgeordnete Stefanie Vogelsang kann deshalb nicht damit rechnen, in ihrer politischen Heimat noch mal nominiert zu werden. Vogelsang, frühere Kreischefin von Neukölln, hatte ihre Basis in einem langen Streit um angebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten und tatsächliche persönliche Animositäten an Michael Büge verloren, heute Staatssekretär in der Gesundheitsverwaltung. Ihre Arbeit im Bundestag fand Anerkennung, sie hat Freunde in anderen Kreisverbänden. Doch nominieren, so heißt es in der CDU-Führung, könne man sie auch auf einem Listenplatz nur, wenn sie einen Wahlkreis habe – und den hat sie nicht.

So wird es in der CDU einigen Streit geben, bis im September klar sein wird, welche Kandidaten sich um Sitze im Bundestag bewerben. Auf der Landesliste gelten nur die ersten fünf Plätze als sichere Rückfallpositionen für Kandidaten, die kein Direktmandat gewinnen. Spitzenkandidatin dürfte Monika Grütters werden. Generalsekretär Kai Wegner wird wohl auf Platz zwei gewählt. Um den dritten Listenplatz könnte es Gerangel geben. Das ist fast Tradition in der CDU. Beim letzten Nominierungsparteitag hat Stefanie Vogelsang zur Überraschung und Freude vieler Parteifreunde den umstrittenen ehemaligen Landeschef Ingo Schmitt von der Liste geputscht.

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