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Berliner Runde. Auf Einladung des Tagesspiegels standen die Berliner Spitzenkandidaten für die Wahl zum Bundestag Rede und Antwort: von links Monika Grütters (CDU), Eva Högl (SPD), Cornelia Otto (Piraten), Renate Künast (Die Grünen), Martin Lindner (FDP) und Gregor Gysi (Linke).

© Thilo Rückeis

Bundestagswahlkampf: Sechs and the City

Die Spitzenkandidaten diskutierten im Tagesspiegel. Es ging um die verschuldete Stadt und Flughäfen, Veggie-Days und die Wurst. Themen wie Mieterschutz und rot-rot-grüne Gedankenspiele schürten die Emotionen. Nur in einem waren sich alle einig.

Gemessen am Beifall der Zuschauer sind dies einige der Themen, die den Berliner Wählern besonders wichtig sind: Bezahlbare Mieten und Bundeshilfen für Berlin, das Stadtschloss und die Nachtflüge, der unvollendete Regierungsumzug von Bonn nach Berlin und gesunde Ernährung, Stichwort „Veggie-Day“.

Engagiert verfolgten am Montagabend gut 150 Tagesspiegel-Leser die Debatte der Bundestags-Spitzenkandidaten der sechs Parteien, die in Berlin und Bund in den Parlamenten vertreten sind - den Live-Blog zum Abend inklusive Kandidaten-Videos finden Sie hier. Dabei ging es um viele harte Sachthemen, die für Berlin bedeutsam sind – und auch um Zwischenmenschliches. So fragte Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Eva Högl, wie es denn sei, mit Peer Steinbrück in einem Haus in Wedding zu wohnen, und ob der nicht auch mal mit seiner Musik nerve. Högls Antwort: „Er ist mir bisher noch nicht auf den Keks gegangen.“

„Pinocchio-Quartett“

Und Linken-Spitzenmann Gregor Gysi gestand auf eine Frage von Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff, dass er den Bundestagswahlkampf anfangs ziemlich „lahmarschig“ fand – und dass er sich freue, dass durch die rot-rot-grünen Gedankenspiele „etwas mehr Leidenschaft“ hineingekommen sei. Die fachte er fröhlich weiter an.  „Bei Koalitionen ist es wichtig, dass die Richtung stimmt – über die Länge der Schritte kann man verhandeln“, sagte er in Richtung SPD und Grüne. Da schüttelte Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast nur den Kopf und witterte nur einen „PR-Gag“.

Dass dieses gerade von Union und FDP zunehmend als Schreckgespenst beschworene Gedankenspiel vor allem der SPD gar nicht gefällt, machte Högl klar. Nachdem Gysi gesagt hatte, dass seine Partei im Falle einer Mehrheit „links von Union und FDP“ sich Gesprächen mit SPD und Grünen nicht verschließe, konterte die Sozialdemokratin, man solle den Wahltag abwarten – auch wenn das „langweilig“ sei. Auf den Hinweis von Lorenz Maroldt, dass dies bei Peer Steinbrück etwas anders klinge und auch bei manch anderem SPD-Spitzenpolitiker, rief FDP-Spitzenkandidat Martin Lindner etwas vom „Pinocchio-Quartett“.

„Jetzt geht’s um die Wurst.“

Ähnlich ungerne wollte sich CDU-Spitzenkandidatin Monika Grütters bei einer Frage festlegen, die in Verbindung mit ihrem Namen in letzter Zeit häufig diskutiert wird. Was sie denn täte, sollte sie nach der Wahl Kulturstaatsministerin werden, fragte Stephan-Andreas Casdorff. Grütters’ Antwort: Sie kämpfe bis zum Wahltag nur um ihr Mandat, um alles andere später. Überhaupt scheint das Festlegen den Kandidaten schwer zu fallen. Cornelia Otto, die die Landesliste der Berliner Piratenpartei anführt, gab zu erkennen, dass der von ihrer Partei favorisierte Mindestlohn von 9,77 Euro nach der Wahl möglicherweise auf 10,50 Euro steigen könnte. Und Künast fiel es nicht leicht zu erklären, was es bedeute, dass im Programm ihrer Partei steht, vegetarische und vegane Gerichte sowie ein Veggie Day „sollten“ in öffentlichen Kantinen Standard werden. Einen der größten Lacher des Abends erntete sie dann, als sie die derzeit schlechten Wahlprognosen der Grünen so kommentierte: „In den letzten 13 Tagen geht’s um die Wurst.“

Um die Wurst für Berlin ging es bei einer Handvoll Themen, die besonders engagiert diskutiert wurden – und bei denen die Unterschiede besonders deutlich wurden. So beim Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr: Linke und Grüne argumentierten vehement dafür, FDP-Spitzenkandidat Martin Lindner  vehement dagegen. Oder bei der Wohnungspolitik, wo Lindner ebenfalls den kritischen Konterpart gab, vor zu viel staatlicher Reglementierung warnte und bessere Bedingungen für Investoren auch an der East Side Gallery forderte. Applaus erntete Lindner dann für eine andere Forderung: den entspannten Umgang mit Cannabis. Es sei unverhältnismäßig, dass Politiker, die Bierkrüge leerten, ein ganz normaler Anblick seien – „und bei Hasch flippen alle aus“, sagte er unter lautem Beifall.

Mehr Geld für Berlin? Da sind alle dafür

Gefragt, was sie im Bundestag für Berlin zu tun gedenken, ergab sich dann doch bei einigen Punkten eine ganz große Koalition über alle Parteigrenzen hinweg. Vor allem die Lastenverteilung zwischen Berlin und dem Bund wollen alle sechs zu Gunsten Berlins neu sortieren. Sei es, indem Kosten für nationale Projekte wie das Sowjetische Ehrenmal vom Bund übernommen werden, wie es Gysi forderte. Sei es, indem der Länderfinanzausgleich neu verhandelt wird und die Bundesaufgaben Berlins dort ein größeres Gewicht erhalten, wie es Högl und Grütters forderten. Dem schloss sich sogar der staatlichen Zahlungen gegenüber kritische Lindner an, er forderte allerdings auch von Berlin mehr Anstrengungen, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen.

Einen Schuldenschnitt für die Hauptstadt, wie ihn Stephan-Andreas Casdorff ins Gespräch brachte, mochte aber keiner auf dem Podium ohne Einschränkungen fordern – dafür fehle in den anderen Bundesländern einfach das Verständnis, hieß es parteiübergreifend. Übergreifende Sprachlosigkeit herrschte hingegen bei der Antwort auf die Frage, wie Berlin denn künftig mal Nettozahler im Finanzausgleich der Länder werden könne. Da hatte keiner ein passendes Rezept parat. Und Piratin Otto stellte fast erleichtert fest: „Wir haben die glückliche Ausgangslage, in der Vergangenheit nicht regiert zu haben.“

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