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Gabriele Becker-Smith, 58 Jahre alt, hat 1976 zum ersten Mal gewählt.

© privat

Bundestagwahlen 1976: "Damals war es spannend"

Gabriele Becker-Smith findet die Wahlen heute vorhersehbar. Auch an den Kandidaten von 1976 konnte man sich mehr reiben als an Schulz und Merkel, sagt die Wahlberlinerin im Video.

Mein Name ist Gabriele Becker-Smith, ich bin 58 Jahre alt, in Hilden in der Nähe von Düsseldorf geboren und wohne seit 36 Jahren in Berlin. Meine erste Wahl war am 3. Oktober 1976, die Bundestagswahl, ich war damals gerade fünf Tage lang 18 Jahre alt. Ich habe in Ratingen gewählt. Ich bin zusammen mit meinem Vater hingegangen. Das war für mich sehr spannend, und ich habe hinterher die anderen aus meiner Klasse, die auch Erstwähler waren, angerufen und wir haben uns ausgetauscht.

Wir haben zu Hause sehr viel über Politik geredet. Ich hatte, zumindest in meinen Augen, Ahnung. Wir hatten Politikunterricht, und meine Eltern haben mir früh beigebracht, politisch zu denken, in dem Sinne, dass man wählen geht. Es stand gar nicht zur Diskussion, dass man nicht wählen geht. Inhaltlich haben wir uns im Politikkurs in der Schule ausgetauscht. Neben dem Sozialen ging es um die Themen Radikalenerlass, Terrorismusgesetze und um den Widerstand gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf. Bei den Atommeilern gab es große Demonstrationen. Da haben wir eigentlich über alles geredet, was von linksradikal bis rechtsradikal unterwegs war. Und vor allem haben wir uns gerieben an Figuren wie Franz-Josef Strauß, Herbert Wehner, Schmidt und Brandt.

Man wusste nicht, wie es ausgeht

Franz-Josef Strauß war in unseren Augen erstens korrupt, zweitens rechts und dann auch noch CSU-rechts. Es war für uns indiskutabel, ihn zu wählen. Aber er selbst war nicht indiskutabel insofern, dass man sich nicht mit ihm beschäftigt hätte. Ich habe damals die SPD und die FDP gewählt. Ich hätte auch zweimal SPD wählen können, aber wir haben im Politikunterricht und zu Hause gelernt, dass man eventuell eine Stimme verschenkt. In dieser Wahl 1976 hatte die CDU zwar die Mehrheit, aber dadurch, dass SPD und FDP Koalitionen bilden konnten, haben die gewonnen.

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Ich sehe einen Wandel, wenn ich vergleiche, wie ich damals gewählt habe und wie es jetzt ist. Als Universitätsdozentin bin viel mit Studenten in Kontakt, und es ist heute wesentlich vorhersehbarer, wie gewählt wird. Damals war es spannend, weil wir nicht so richtig wussten, wie es ausgehen wird. Das ist heute anders. Die Studierenden reiben sich nicht mehr an diesen Figuren, denn die Personen, an denen man sich reiben kann, die gibt es gar nicht mehr. An Angela Merkel kann man sich aus meiner Sicht nicht reiben. Auch nicht an Martin Schulz. Aber solche Figuren hatten wir damals. Dadurch war es einfacher für uns, uns zu entscheiden.

Aufgezeichnet von Ann-Kathrin Hipp und Christian Vooren

Die Videointerviews mit allen befragten Erstwählern sowie Grafiken, Analysen und Wahlplakate zu jeder Wahl finden Sie in unserem Projekt "Erste Wahl: Zeitreise durch die Bundestagswahlen", das in Zusammenarbeit mit Philipp Bock und Lisa Charlotte Rost von Tagesspiegel Data entstanden ist. Dieses Projekt sowie Umfragen, Kieztouren durch Berlin, eine Kandidatenbank und vieles mehr zur Bundestagswahl finden Sie in unserem Wahl-Spezial.

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