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Im Showroom an der Friedrichstraße kann man Plastikkameraden bewundern und Formulare ausfüllen.

© Thilo Rückeis

Bundeswehr-Showroom in Mitte: Im Wartezimmer der Bundeswehr

Seit dem Wegfall der Wehrpflicht und den Skandalen der letzten Jahre sucht die Bundeswehr händeringend Leute. In ihrem Showroom in Mitte wirbt sie nun für sich. Ein Besuch.

Die Bundeswehr ist blau. Der Boden ist blau, die Kissen sind blau, die Broschüren sind blau. Das Logo der Bundeswehr, das Eiserne Kreuz, ist grau – allerdings eingerahmt in Blau. Und darunter steht, richtig, in Blau das Motto der Bundeswehr: Wir.Dienen.Deutschland.

Der sogenannte „Showroom“ in der Georgenstraße, hinter dem Bahnhof Friedrichstraße, ist so etwas wie der Flagship-Store der Bundeswehr. Marken wie Hugo Boss und Nike haben das auch: ein Geschäft in guter Lage, in dem man sich präsentieren kann. Die Abschaffung der Wehrpflicht und die vielen schlechten Schlagzeilen – etwa die aktuelle Diskussion um das nicht schusssichere Gewehr G36 – haben dazu geführt, dass sich der Arbeitgeber Bundeswehr aktiv um seine Angestellten bemühen muss. Das stößt auf Widerstand: Zuletzt haben in der Nacht zu Sonnabend Unbekannte Parolen wie „Nein zum Militär“ oder „Frieden schaffen ohne Waffen“ an die Schaufenster und auf den Bürgersteig gesprüht.

Zeit für einen Besuch.

Ein potentieller Angestellter

Ein potenzieller Angestellter wäre zum Beispiel Peter. Schon vor zwei Monaten war er hier und hat sich informiert. Peter hat seine Ausbildung zum Fluggerätmechaniker abgebrochen. Er will sie bei der Bundeswehr fortsetzen. An Flugzeugen rumschrauben, das findet er gut. „Das macht nicht jeder“, sagt er. Er füllte damals ein Formular aus, und man sagte ihm, man werde ihn anrufen.

Dann hat Peter gewartet. Aber er hat nie wieder etwas gehört.

Peter ist 20 Jahre alt. Er hat blonde Haare, mit leichtem Seitenscheitel, nach hinten gegelt. Er sieht ein bisschen aus wie Mario Götze. Peter ist extra aus Pritzwalk gekommen, das liegt im Landkreis Prignitz und ist etwa 130 Kilometer von Berlin entfernt. Mit der Bahn braucht man etwas mehr als zwei Stunden bis zur Friedrichstraße.

Leere statt Youtube

Im „Showroom“ selbst sitzt Hauptbootsmann Meus und sein Kollege, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie blicken auf den großen Bildschirm an der Wand. Eigentlich sollte hier der Youtube-Kanal der Bundeswehr zu sehen sein. Aber irgendwas stimmt mit der Technik nicht. Der Bildschirm ist heute schwarz. Zu sehen nur das Menü, durch das Meus und sein Kamerad sich klicken.

Der Showroom sieht aus wie ein Wartezimmer. Bilder von Soldaten hängen an der Wand. In der Ecke steht das Modell einer Fregatte und eines Minensuchbootes. Die Bundeswehr präsentiert sich als moderner Arbeitgeber. Auf dem Tisch liegen zwei Ipads. Vom G36 gibt es kein Modell.

Meus geht sofort auf Peter zu. Er ist für den „Erstkontakt“ und freundliche Ansprache zuständig. Wer hier reinkommt, wird freundlich empfangen. Dann wird geklärt, was man sich denn so vorstellt. Anschließend gibt es eine Broschüre und wer mag, kann einen Termin bei der Karriereberatung um die Ecke bekommen.

Der Termin, auf den Peter schon so lange wartet.

"Wir werben hier nicht"

Meus und sein Kollege sollen den Leuten die Bundeswehr näher bringen. Aber dass man hier aktiv versuchen würde, Rekruten für die Armee zu finden, so wie man es aus den USA kennt, dass will sich Meus nicht nachsagen lassen. „Wir werben nicht, wir informieren die Leute über Arbeitsmöglichkeiten bei der Bundeswehr.“

Peter wird eine Straße weiter geschickt, zur Karriereberatung. Peter steigt in den Aufzug. Soldat möchte er eigentlich nicht werden. Er stellt sich eine zivile Laufbahn vor. Hauptsache, erst mal die Ausbildung fertig machen. Die Bundeswehr ist für ihn einfach ein Arbeitgeber. Er hat einige Freunde, die sind auch beim Bund. „Die erzählen schon gute Sachen“, sagt Peter, „man braucht sich halt keine Sorgen zu machen.“

Im vierten Stock sitzt ein Soldat in Tarnfarben hinter einer verschlossenen Glastür. Er hat die Haare an den Seiten abrasiert und den Rest mit Gel nach hinten gekämmt. Eigentlich sieht jeder zweite Typ in Kreuzberg auch so aus. Unter seiner Lippe ist das verschlossene Loch eines Piercings zu sehen.

Video: Mit diesem Werbevideo warb die Bundeswehr zur Eröffnung ihres "Flagship Stores" im November

Der Bundeswehr Showroom von Außen.
Der Bundeswehr Showroom von Außen.

© Thilo Rückeis

Die zivile Laufbahn ist im Urlaub

Der Soldat nimmt Peter mit in den Nebenraum. „Im Normalfall rufen wir sofort an“, sagt er und entschuldigt sich. Es muss ein Versehen gewesen sein, ein Zahlendreher. Man werde jetzt einen neuen Termin ausmachen. Es gibt nur ein Problem. „Der Sachbearbeiter für die Zivile Laufbahn ist im Urlaub“, sagt der Soldat. Er bietet Peter einen Termin in sechs Wochen an. Peter möchte früher, er hat genug gewartet.

„Naja“, sagt der Soldat. „Sie haben ja speziell nach einer zivilen Laufbahn gefragt. Wenn Sie mit jemanden sprechen wollen, der sie auch über den Wehrdienst informieren kann, geht's auch früher.“ Peter überlegt kurz und nickt. Er bekommt einen früheren Termin. In vier Wochen.

Jetzt muss Peter wieder nach Hause. Nochmal zwei Stunden Zug. Eine lange Fahrt, um einen Termin auszumachen. Aber Peter lässt sich nicht entmutigen. Mir der Ausbildung könnte er sowieso erst im September anfangen. Solange kann er auch Wehrdienst machen. Das bedeutet aber Dienst an der Waffe. Hat er keine Angst?

Nein, keine Angst, sagt Peter. „Den deutschen Soldaten, denen geht es doch ganz gut.“ Dann verabschiedet er sich in Richtung Bahnhof. Im Showroom sitzen Meus und sein Kamerad und gucken in ihre Ipads.

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Francesco Giammarco

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