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Bundesweite Richtlinie: Regierende reisen dienstlich – fast immer

Klaus Wowereit flog zweimal im Privatjet nach London - und hätte das wohl auch als Dienstreise deklarieren können. Denn eine zehn Jahre alte bundesweite Richtlinie lässt eine großzügige Auslegung zu.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hätte seine Flüge nach London 2002/03 mit dem Privatjet des Ex-Bahn-Chefs Heinz Dürr wohl auch als Dienstreise deklarieren können. Denn es gibt eine interne Richtlinie, die seit zehn Jahren offenbar für alle Bundesländer gilt. Das dreiseitige Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, formuliert Grundsätze für die Reisen von Regierungsmitgliedern, die fast alles erlauben.

Als Dienstreise gelten demnach alle Termine „in unmittelbarer Ausübung der Amtsgeschäfte“. Etwa Ministerkonferenzen und Fraktionssitzungen und der Besuch von Parteiterminen, wenn er „in Wahrnehmung des Regierungsamtes“ oder als Mitglied von Parteigremien stattfindet. Ausgenommen sind Wahlkampfveranstaltungen, auch der politische Aschermittwoch, sofern ein Regierungsmitglied dort ausschließlich als „Repräsentant seiner Partei“ auftritt.

Der Besuch von Sport-, Kultur- und gesellschaftlichen Veranstaltungen, von Unternehmen, Messen, Talkshows oder anderen Auftritten in öffentlichen Medien gilt ebenfalls als Dienstreise, wenn die Einladung erkennen lässt, dass die Teilnahme „an das Regierungsamt geknüpft“ ist. Grußworte oder Schirmherrschaften können helfen, den dienstlichen Charakter einer Reise zu unterstreichen. Eheleute oder Lebenspartner sind dienstlich veranlasste Begleiter, „soweit dazu eine Einladung vorliegt bzw. dies gesellschaftlich üblich ist“.

Es sei auch unschädlich, heißt es in dem Länder-Papier, wenn bei einer Dienstreise vor oder nach dem offiziellen Teil „andere nicht dienstliche Termine wahrgenommen werden“. Dies ändere nichts an dem dienstlichen Charakter der Reise. Allerdings seien die Mehrkosten, beispielsweise verursacht durch Umwege oder Übernachtungen, „privat“. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei auf Dienstreisen in jedem Fall zu beachten. Ausgaben, die aufgrund einer Sicherheitseinstufung eines Regierungsmitglieds entstehen, werden immer erstattet. Rechtsgültige Leitlinien sind das nicht, sondern „Orientierungspunkte“ für den internen Amtsgebrauch. In der Einleitung steht: Auf der Grundlage des gültigen Rechts müsse jedes Regierungsmitglied letztlich „in eigener Verantwortung“ entscheiden, was eine Dienstreise sei.

Klaus Wowereit
Klaus Wowereit

© dpa

Grüne und Linke in Berlin sind aber der Meinung, dass verbindliche Regeln, wie sich Regierungsmitglieder auf Reisen, aber vor allem gegenüber Unternehmern und Verbandsvertretern zu verhalten haben, der bessere Weg wären. Sei es als Ehrenkodex oder in Ergänzung des Senatorengesetzes. „Wir wollen der Politik nicht den Umgang mit den Mächtigen der Wirtschaft verbieten“, sagt der Grünen-Abgeordnete Jochen Esser. Die althergebrachten großbürgerlichen Umgangsformen – sei es der festliche Empfang, ein Abendessen, die Konversation in Clubs oder auf dem Golfplatz – gehörten nun mal dazu. Aber ein Regierungschef oder Senator sei selbst bei privaten Terminen nie völlig politikfern. Was also dürfen Regierungsmitglieder, was sollten sie unterlassen? Es sei schwierig, aber der Mühe wert, dafür einen Verhaltenskodex aufzustellen, so Esser. Auch um zu verhindern, dass die Kluft zwischen Politik und verdrossenen Bürgern immer größer werde. Wowereit solle sich an dieser Diskussion „aktiv beteiligen“.

Das Berliner Senatorengesetz regelt bisher nur Nebenbeschäftigungen und die Tätigkeit von Senatsmitgliedern in einem Unternehmensorgan. Dann gibt es noch die 1990 eingeführten Ausführungsvorschriften über die Annahme von Belohnungen und Geschenken, die für alle öffentlich Bediensteten gelten, aber dem Arbeits- und Lebensumfeld von Spitzenpolitikern kaum gerecht werden. Nur für Abgeordnete gibt es Verhaltensregeln zur Vereinbarkeit des Parlamentsmandats mit dem Beruf, der Tätigkeit für Unternehmen oder Verbände und für die Annahme von „geldwerten Zuwendungen“. Darüber hinaus wurden 2003 Verwaltungsvorschriften zum Sponsoring erlassen, es gibt ein Register über korruptionsauffällige Unternehmen und das Bundesreisekostengesetz, das auch in Berlin gilt.

Auf der anderen Seite regeln viele Unternehmen den Umgang mit der Politik aus eigener Sicht. Zum Beispiel steht im Verhaltenskodex von RWE: „Angesichts seiner Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft hält RWE einen Dialog mit Vertretern staatlicher Organe und politischer Parteien für unverzichtbar.“ Doch um schon den Anschein einer unangemessenen Einflussnahme zu vermeiden, verhalte sich das Unternehmen parteipolitisch neutral und verzichte auf Spenden an Parteien und parteinahe Organisationen. Öffentliche Amts- und Mandatsträger dürften nicht bei RWE arbeiten oder als Berater tätig sein.

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