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Berlin: Bus-Entführer schrieb seiner Geisel aus dem Gefängnis Nach sechs Monaten kam Post von Dieter Wurm – die 66-jährige Inge H. ist darüber schockiert

Als sie den Brief in der Hand hielt, war alles wieder da. Der Täter, die Waffen in seiner Hand, die Todesangst im Bus der Linie 185.

Als sie den Brief in der Hand hielt, war alles wieder da. Der Täter, die Waffen in seiner Hand, die Todesangst im Bus der Linie 185. Knapp sechs Monate nach der Busentführung sah Inge H. wie versteinert auf den Absender: Dieter Wurm, AltMoabit 12a. „Ich bin der Mann, der Sie im Bus mit einer Waffe bedroht hat“, schrieb er der Rentnerin. Er hatte ihre Adresse aus den Akten. Sie war erschüttert. „Ich bekam kaum Luft, mir blieb mein Herz fast stehen“, sagte die 66-jährige Inge H. gestern vor dem Berliner Landgericht.

Dieter Wurm musterte die Zeugin, eine Reaktion aber zeigte er nicht. Er war am 11. April letzten Jahres kurz nach Inge H. in den Linienbus eingestiegen. Das war am Rathaus Steglitz. Kurz zuvor hatte der 47-Jährige mit einem bislang unbekannten Komplizen die Commerzbank in der Schloßstraße überfallen. Als zwei Polizisten nach einem Hinweis in den Doppeldecker stiegen, überwältigte der mehrfach vorbestrafte Wurm eine Beamtin und kaperte den Bus. Inge H. zählte acht Fahrgäste auf, die wie sie Geisel wurden. „Wir waren leichenblass“, sagte sie den Richtern. „Man hatte Todesangst.“

Mit zwei Pistolen in der Hand sei der Täter auf und ab gegangen. „Man guckte ihm nicht ins Gesicht“, sagte die Rentnerin. Um ihn nicht zu provozieren. Aus einer Waffe löste sie ein Schuss. „Das war nur zur Warnung“, habe der Täter gebrüllt. Als er zwei Geiseln aussteigen ließ, wollte sich auch Inge H. erheben. „Sie nicht“, habe er da befohlen. Die Rentnerin durfte den Bus schließlich irgendwo in Charlottenburg verlassen. An den genauen Ort hat sie keine Erinnerung mehr. „Man guckt durch die Gegend durch“, sagte sie als Zeugin. Ein Polizeiwagen habe sie aufgenommen.

Inge H. ist im Prozess Nebenklägerin, bis heute hat sie traumatische Erinnerungen an den Tag, bis heute muss sie Schlaftabletten nehmen. Sie ging zu einer Anwältin, die nun während der Aussage an ihrer Seite saß.

Die zierliche Rentnerin vermied jeden Blick zum Angeklagten. Sie hatte ihm eine Antwort auf den Brief geschrieben. Sie schrieb ihm, dass sie von der Entführung Abstand gewinnen möchte. Dass er ihre Adresse aus den Akten hatte, erklärte ihr die Anwältin. Dass sich der Täter aus dem Gefängnis an sie wandte, dass niemand den Brief aufhielt, findet sie erschütternd. „Wo bliebt da der Opferschutz?“, fragte die Zeugin. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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