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Busfahrer in Berlin: Die Angst fährt mit

Die Attacken auf Busfahrer nehmen zu. 200 von ihnen sind im letzten Jahr zu Opfern ihrer Fahrgäste geworden. Bewaffen dürfen sich die BVG-Mitarbeiter aber nicht. Einge von ihnen tun es trotzdem - heimlich.

Den Stock hat er stets gut versteckt. Aber ohne will er sich nicht mehr hinters Steuer eines Busses setzen. Die Gefahr, von einem Passagier angegriffen zu werden und sich dann nicht wehren zu können, ist ihm zu groß. Die Waffe gebe ihm auf jeden Fall ein gewisses Sicherheitsgefühl, sagt Jan K. (Name geändert), der seit 14 Jahren BVG-Busse durch die Stadt fährt. Die Zahl der Übergriffe auf Fahrer hat stark zugenommen; fast 200 waren es nach Angaben der BVG im vergangen Jahr. In Wirklichkeit sei die Zahl sogar noch höher, heißt es aus dem Betrieb. Bewaffnen dürfen sich die Fahrer aber nicht.

„Dabei wird es auch bleiben“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Das Mitnehmen von Schlagstöcken oder auch von Pfefferspray sei strikt untersagt. Würde man zulassen, dass sich die Fahrer bewaffneten, setzte man nur eine Gewaltspirale in Gang. Zudem könne einem Fahrer der Stock auch entwendet und dann gegen ihn eingesetzt werden. Würde Pfefferspray versprüht, könnte dies auch Unbeteiligte treffen. Außerdem erfolgten die Angriffe oft so schnell, dass gar keine Zeit bleibe, sich zu wehren. Unvorstellbar sei auch, dass ein Fahrer einen Passagier mit einer Waffe bedrohen könnte.

Jan K. kennt diese Bedenken. Er hat seinen gut versteckten Stock bisher noch nicht hervorholen müssen. „Aber was soll ich sonst machen?“ Er riskiert lieber eine Abmahnung, die es gäbe, wenn er mit der Waffe ertappt würde. K. ist überzeugt, dass auch andere Kollegen sich ähnlich zu schützen versuchen. „Der Betrieb könnte uns doch die Entscheidung überlassen“, sagt K. Schließlich müssten die Fahrer auch selbst das Risiko tragen, geschlagen zu werden.

„Eine Bewaffnung der Mitarbeiter kommt nicht in Frage“

Das Ansinnen von K. wird aber auch vom Personalrat nicht unterstützt. „Eine Bewaffnung der Mitarbeiter kommt nicht in Frage“, sagt Uwe Nitzgen, der Gesamtpersonalratsvorsitzende. Er argumentiert wie Sprecherin Petra Reetz. Nitzgen würde lieber Kabinen – ähnlich wie in der Straßenbahn – in die Busse einbauen lassen, um die Fahrer zu schützen. Doch viele der Kollegen wollen davon nichts wissen. Auch K. will nicht hinter Glas sitzen. „Geschützt sind wir dann auch nicht, wenn wir so provoziert werden, dass wir die Kabine verlassen müssen.“

Einig sind sich die Unternehmensführung, der Personalrat und die meisten Fahrer aber darin, dass die Aggressivität im Bus ein gesellschaftliches Problem sei, das von dem Verkehrsbetrieb nicht gelöst werden könne. „Wir vermissen hier die Unterstützung der Bevölkerung und auch der Politik“, klagt Nitzgen. Das Problem werde mehr oder weniger gleichgültig hingenommen. Kaum jemand habe die Angriffe bisher öffentlich missbilligt.

Nicht viel weiter gekommen sei man auch bei gemeinsamen Treffen mit Richtern, Staatsanwälten, Sozialarbeitern und Politikern, bestätigt Reetz. Alle fänden alles schlimm, aber am Schluss heiße es dann, das Problem müsse die BVG lösen. Dass es solche Runden schon mehrfach gegeben habe, für die jetzt ein Betriebsrat im Tochterunternehmen Berlin Transport (BT) medienwirksam Unterschriften sammele, sei diesem wohl entgangen, sagte Reetz weiter.

Noch aber hat auch das Unternehmen nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Für die Mitarbeiter gibt es ein Deeskalationsprogramm, um Streitigkeiten mit Kunden am Arbeitsplatz gewaltfrei zu beenden, das von Fachleuten als sehr gut eingestuft wird. Doch noch haben nicht alle Fahrer daran teilgenommen. Weil es einen Fahrermangel gibt, wird es nach Angaben von Reetz bis Ende des Jahres dauern, ehe alle Fahrer Zeit für eine solche Schulung gefunden haben. Auch K. steht noch auf der Warteliste. Und bis es so weit ist, will er seinen Stock nicht missen.

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