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Berlin: Busspuren

Ab Dienstag fahren BVG-Doppeldecker mit politischen Losungen durch die Stadt – sie erinnern an den Aufstand vom 17. Juni 1953

Von Robert Ide

und Mirco Stodollick

Axel Watzke schüttelt den Kopf. „Mir war schon klar, dass es den 17. Juni gab“, sagt der 27-jährige Berliner Student. „Aber dass die Zeiten vor 50 Jahren so krass waren, hätte ich nicht gedacht.“ Watzke ist ein Kind der DDR, geboren in den Siebzigerjahren. Nun entdeckt er als Student für Kommunikationsdesign die Geschichte neu. Gemeinsam mit zwei Kommilitonen vom Kunstprojekt „anschlaege.de“ blicken sie zurück in eine Zeit, die ihnen lange fremd war: 1953, das Jahr, in dem das ostdeutsche Volk erfolglos den Aufstand probte. Die Studenten von der Kunsthochschule Weißensee haben das Outfit von drei BVG-Doppeldeckern neu gestaltet, die ab kommender Woche für „Die Lange Nacht des 17. Juni 1953“ auf Werbetour gehen und Besucher zu Veranstaltungen in die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen chauffieren werden.

„Wir wollen mit den Bussen ein starkes Zeichen in der Stadt setzen“, sagt Watzke. Und so ziert ein heroisch wirkender russischen T34-Panzer die Längsseiten des Doppeldeckers. Das in Kienitz im Oderbruch aufgenommene Panzer-Denkmal soll Passanten auf den Straßen schocken. „So funktioniert Werbung“, sagt Watzke. Um dem Spannungsfeld des 17. Juni gerecht zu werden, entschieden sich die Künstler dafür, auf den Bussen zusätzlich historische Losungen des aufständischen Volkes in Pinselschrift zu präsentieren. Formeln, die auf den ersten Blick als aktuelle Losungen missverstanden werden könnten: „Mehr Lohn statt Hohn!“, heißt es etwa. Oder: „Freie Wahlen!“ Oder: „Weg mit der Regierung!“

Steffen Schuhmann, der sich ebenfalls auf Spurensuche begeben hatte, musste sich all diese Losungen hart erarbeiten. Der 24-Jährige sagt über sein Vorwissen zum 17. Juni: „Im DDR-Geschichtsunterricht war 1945 Schluss.“ Die Auseinandersetzung mit dem Aufstand im Osten ist seiner Meinung nach auch deshalb zu kurz gekommen, weil der Westen das Datum für seine Zwecke instrumentalisiert habe. „Das hatte einen schlechten Beigeschmack“, sagt Schuhmann.

Jetzt haben die Künstler ihr Wissen erweitert. Nur eineinhalb Wochen hatten sie Zeit, um die Entwürfe für die BVG-Doppeldecker vorzulegen. Deshalb recherchierten sie bis tief in die Nacht in Büchern, Fotobänden und Filmarchiven.

Ob die provokante Werbung auf den drei BVG-Doppeldeckern die Berliner neugierig macht auf „Die Lange Nacht des 17. Juni 1953“ (siehe auch Artikel unten), zeigt sich schon in der kommenden Woche. Von Dienstag an setzt die BVG die Doppeldecker auf prominenten Stadtlinien ein.

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