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Berlin: BVG baut Videoüberwachung massiv aus

Bis Jahresende sollen Kamerabilder von allen 170 U-Bahnhöfen 24 Stunden lang gespeichert werden

Die BVG will noch in diesem Jahr alle ihre 170 U-Bahnhöfe durch Kameras überwachen lassen und die Aufnahmen 24 Stunden lang speichern. Damit greift sie der Auswertung des laufenden Pilotversuchs auf den Linien U2, U6 und U8 vor. BVG-Sprecher Klaus Wazlak begründet die Eile damit, dass die Schäden durch Vandalismus in den überwachten Bereichen klar zurückgegangen seien.

Der Fall des neunjährigen Mitja aus Leipzig, dessen mutmaßlicher Mörder am Wochenende über Kamerabilder aus einer Straßenbahn identifiziert werden konnte, scheint den Sinn der Videoaufzeichnung auf dramatische Weise zu belegen. Doch Datenschützer und Politiker sind verärgert über die BVG: „Vereinbart ist, dass das Modellprojekt bis Ende März läuft und dann wissenschaftlich ausgewertet wird“, heißt es beim Landesdatenschutzbeauftragten, „alles andere wäre absprachewidrig.“ Kritik kam auch von Grünen, FDP und Linkspartei. Deren Innenpolitikerin Marion Seelig sagte: „Wir sind etwas überrascht.“ Thomas Kleineidam, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, lobt dagegen die BVG und verweist auf die Koalitionsvereinbarung: „Die sagt klar, wir wollen das.“

BVG-Sprecher Wazlak stellt klar, dass es sich um eine „reine Aufzeichnung“ handele, „die sich keiner einfach anschauen kann“. Die Bilder würden verschlüsselt gespeichert und nach 24 Stunden unbesehen gelöscht. Die Kosten könne er nicht beziffern, aber angesichts von sieben Millionen Euro Vandalismus-Schäden im vergangenen Jahr werde sich die Investition lohnen.

In Hamburg, wo seit Ende 2004 alle U-Bahnzüge und Stationen überwacht werden, sind die Schäden nach Auskunft eines Hochbahn-Sprechers „grob gesagt um 50 Prozent gesunken“. Auch Fahrgäste würden seltener attackiert. Dass die Zahl solcher Fälle von 550 vor zehn Jahren auf unter 200 gesunken sei, liege aber nicht nur an der Videoüberwachung, sondern an einem neuen Gesamtkonzept mit Notrufsäulen und Stichprobenkontrollen durch Personal.

Der Staatsrechtler Martin Kutscha von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Lichtenberg nennt den Nutzen der Aufzeichnung „unsicher; die Erfahrung aus Großbritannien ist eher ernüchternd“. In England sind große Teile des öffentlichen Raums videoüberwacht. Eine Untersuchung im Auftrag des Londoner Innenministeriums habe ergeben, dass gerade „Affektstraftaten“ wie Prügeleien durch Kameras kaum verhindert würden und sich andere Kriminalität oft in nicht überwachte Bereiche verlagere. „Am sichersten ist, wenn da lebende Personen sind“, resümiert Kutscha.

So gesehen wiederholt die S-Bahn gerade den vor Jahren von der BVG gemachten Fehler, indem sie Personal von Bahnhöfen abzieht. Zwar werden im Gegenzug mehr Bahnsteigkameras installiert, aber die Videoüberwachung in Zügen soll erst 2008 erprobt werden.

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