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Berlin: BVG im S-Bahn-Stress

Nach dem Brandanschlag vom Ostkreuz ist Berlin bahntechnisch geteilt: Die Ost- West-Linien, die durch den Knoten führen, sind zwischen Ostbahnhof und Lichtenberg bzw. Rummelsburg unterbrochen.

Nach dem Brandanschlag vom Ostkreuz ist Berlin bahntechnisch geteilt: Die Ost- West-Linien, die durch den Knoten führen, sind zwischen Ostbahnhof und Lichtenberg bzw. Rummelsburg unterbrochen. Pendelzüge überbrücken die Lücke ums Ostkreuz, so dass alle Stationen erreichbar sind. Die Ringbahn fährt im Zehnminutentakt, der Flughafen Schönefeld hat wieder Anschluss an S 9 und Airport-Express. Spätestens am Freitag soll die S-Bahn wieder planmäßig funktionieren. Im Regionalverkehr avisiert die Bahn ab Donnerstag Normalbetrieb.

Wie schon bei früheren Ausfällen der S-Bahn hat die BVG einen Ansturm der Kunden erlebt: „Wir gehen davon aus, dass wir am Montag eine halbe Million Fahrgäste mehr hatten als in normalen Zeiten“, sagte BVG-Finanzvorstand Henrik Falk. Zufällig hatte das Landesunternehmen für Dienstag in sein Callcenter nahe dem Gleisdreieck geladen – um vorzuführen, dass die Kundschaft unter der Telefonnummer 19 449 kein typisches Callcenter erreicht, sondern eines mit Herz, Schnauze und Ortskenntnis. 20 bis 25 Mitarbeiter sitzen hier jeweils gleichzeitig mit Headsets vor ihren Bildschirmen im Großraumbüro. Insgesamt sind es 80, die Auskunft geben: montags bis donnerstags 7 bis 23 Uhr, von Freitagfrüh bis Sonntagabend rund um die Uhr.

Knapp 7000 Anrufe gehen an einem durchschnittlichen Montag ein. An diesem Montag seien es rund 10 000 gewesen; der Allzeitrekord aus Zeiten der S-Bahn-Krise liege bei 30 000. Da habe auch der Abteilungsleiter mittelefoniert, und trotzdem hätten die Anrufer oft fünf Minuten in der Warteschleife gehangen. Üblich seien 30 Sekunden; an diesem Montag waren es gut zwei Minuten.

Von Störungen im eigenen Netz erfahren die BVGer im Callcenter meist binnen weniger Minuten. Wenn es bei der S-Bahn hakt, kommen die Informationen von dort. Viele Kunden wüssten gar nicht, dass es sich um zwei getrennte Unternehmen handele, und fragten sinngemäß: Was macht ihr denn da wieder? Aber da beide überwiegend von denselben Fahrgästen leben und die Ticketeinnahmen über den Verkehrsverbund aufgeteilt werden, muss die BVG auch genervte S-Bahn-Kunden pfleglich behandeln. Die kamen unter der S-Bahn-Nummer 2974 3333 am Montag kaum durch.

Aus dem ständigen Gemurmel sind typische Fälle herauszuhören: Ein Kollege erfasst eine verloren gegangene Handtasche in der Tram M 5, sein Nachbar beschreibt per Stadtplan den Fußweg zur Bushaltestelle, gegenüber sucht jemand den Termin fürs nächste Mobilitätstraining für Behinderte im Computer. Zwar sinkt die Zahl der Anrufe seit Jahren, weil viele sich ihre Fahrplanauskunft längst aus dem Internet aufs Handy holen. Im Callcenter landen die schwierigeren Fragen, so dass dort die Gespräche immer länger dauern. Stefan Jacobs

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