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Berlin: BVG setzt auf Video rund um die Uhr

Einjähriger Modellversuch beschlossen. Senat berät heute über Sicherheitslage nach Terroranschlägen

Die Berliner Landesregierung und die BVG arbeiten daran, die Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln auszuweiten. Die Verkehrsbetriebe und der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix vereinbarten am Montag ein Modellprojekt, um an ausgewählten U-Bahnhöfen ein Jahr lang eine 24-Stunden-Aufzeichnung von Videoaufnahmen zu erproben. Das hatte der Datenschutzbeauftragte bislang abgelehnt, jetzt will er dem Vorhaben zumindest eine Chance geben. „Steigt dadurch die Sicherheit, wird das Projekt ausgeweitet, gibt es keinen Sicherheitsgewinn, wird es zurückgefahren“, sagte Dix dem Tagesspiegel.

Nach den jüngsten Anschlägen in London und an der türkischen Küste will sich an diesem Dienstag auch der Senat mit der Sicherheitslage in Berlin befassen, wie der Sprecher von Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Bernhard Schodrowski, sagte. Körting, der erst Dienstagfrüh aus dem Urlaub zurückerwartet wurde, wolle sich erneut dafür stark machen, die Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Die Wachsamkeit der Berliner nach den Anschlägen ist weiterhin spürbar hoch. Am Montagnachmittag holten Mitarbeiter einer Bank die Polizei zur Tauentzienstraße, weil ihnen eine herrenlose Tasche aufgefallen war – ein Fehlalarm. Auch der BVG haben sich in den vergangenen Tagen deutlich mehr Fahrgäste als sonst gemeldet, denen merkwürdige Gegenstände aufgefallen waren, sagt der Sprecher der Verkehrsbetriebe, Klaus Wazlak. Auch die S-Bahn appelliert an ihre Fahrgäste, bei verdächtigen Gegenständen in Zügen und auf Bahnhöfen sofort die Polizei zu informieren. Den geplanten Abbau des Abfertigungspersonals wolle man nach den Terroranschlägen allerdings nicht rückgängig machen, sagte S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz. „Terroranschläge sind durch mehr Personal nicht zu verhindern.“

Eine 61-jährige Berlinerin löste am Montag versehentlich einen Bombenalarm im brandenburgischen Velten aus. Sie hatte vorübergehend ihren Koffer im Bahnhof alleine stehen lassen. Daraufhin alarmierten Passanten die Polizei. Die Beamten sperrten den Bahnhofsvorplatz und angrenzende Grundstücke, als sich die Besitzerin des Koffers meldete.

Wie hoch das Sicherheitsbedürfnis der Berliner nach den jüngsten Anschlägen ist, zeigen auch aktuelle Umfragen. Bei der Tagesspiegel-Leserumfrage zum Thema Videoüberwachung – unserem Pro & Contra vom Wochenende – sprachen sich 93,9 Prozent der Teilnehmer dafür aus, an öffentlichen Plätzen die Videoüberwachung zu verstärken. Nur 6,1 Prozent lehnten dies bei der – nicht repräsentativen – Umfrage ab. Eine Umfrage der „Berliner Zeitung“ hatte vergangene Woche ergeben, dass jeder fünfte Berliner nach den Ereignissen in London vor zehn Tagen große Angst vor Terroranschlägen hat, fast 50 Prozent fühlten sich „weniger stark bedroht“, und nur ein Drittel fühlt sich nicht bedroht.

Polizei und Innenverwaltung warnten davor, angesichts der aktuellen Anschläge in Hysterie zu verfallen. „Wir nehmen die Ängste der Bevölkerung ernst, aber man muss genau gucken, welche Maßnahmen nützen etwas“, sagte Körtings Sprecher Schodrowski.

Um das Sicherheitsgefühl zu verstärken, sind in den vergangenen Tagen Polizisten stärker als sonst an zentralen Orten Streife gelaufen, so an den Flughäfen, in U-Bahnhöfen und vor gefährdeten Gebäuden wie den britischen und US-amerikanischen Botschaften. Es wurden laut Polizei aber keine zusätzlichen Beamten herangezogen, sondern vorhandene Polizisten konzentrierter eingesetzt.

Generelle Forderungen nach mehr Streifenpolizisten lehnt die Polizei ab. „Die aktuelle Furcht der Menschen ist nachvollziehbar, aber wir können nicht automatisch mehr Personal rausschicken, wenn die Menschen mehr Angst haben“, sagt ein Polizeisprecher. Das Sicherheitsbefinden der Bürger sei nicht immer deckungsgleich mit der polizeilichen Einschätzung der Gefahr: „Die meisten Menschen haben nachts im Wald Angst – sollen wir also alle Beamten nachts in den Wald schicken?“

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