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BVG-Touren: Von Britz nach Buckow und Marienfelde

Die eigene Stadt neu entdecken – mit einer reizvollen Kombination von Stadtspaziergängen und Fahrten mit Bussen und Bahnen. Das ist die Idee unserer Ausflugsserie "Mit der BVG auf Tour". Tour 2 führt von Britz nach Marienfelde.

Von Fatina Keilani

Vor ein paar Wochen stand dann plötzlich dieser Japaner in ihrem Wohnzimmer. Er hatte sie im japanischen Fernsehen gesehen und sich gewünscht, dass er die Hufeisensiedlung und darin Frau Schönfeldt einmal besuchen könne – und jetzt war er hier. Er freue sich so. Helga Schönfeldt, 82, ist nämlich in die Siedlung hineingeboren worden, am 8. Mai 1928. Als zwar nicht älteste, aber sozusagen dienstälteste Bewohnerin kam sie zu einiger Berühmtheit, als das Ensemble im Sommer 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt wurde und damit international in den Blickpunkt rückte. Am diesjährigen Tag des offenen Denkmals im September standen wieder die Besuchergruppen in ihrer Stube – darunter der Japaner.

Die Eltern von Helga Schönfeldt waren am 1. November 1926 in die Zweieinhalbzimmerwohnung am Lowise-Reuter-Ring gezogen. Nur die ersten vier Häuser des hufeisenförmigen Gebäudes standen damals, rundherum wurde an der Siedlung gebaut. Die galt als wegweisend – den düsteren Mietskasernen, die damals Standard für Arbeiter waren, wollten die Architekten Bruno Taut und Martin Wagner etwas entgegensetzen: Licht, Luft und Sonne sollten für alle da sein. Als die Siedlung mit ihren 1072 Wohnungen und Häusern im Jahr 1933 schließlich fertig war, zogen allerdings doch vor allem Angestellte und Beamte ein. Für Arbeiter waren die Wohnungen zu teuer.

„Meine Kindheit, den Krieg – mein ganzes Leben habe ich in dieser Wohnung verbracht“, sagt Helga Schönfeldt. „Ich hatte hier eine sehr glückliche Jugend. Es gab kaum Autos, die ganze Siedlung war unsere Rollschuhbahn. Und im Frühjahr die Baumblüte in der Onkel-Bräsig-Straße, man ging ja wie unter einem Baldachin aus Blüten, herrlich.“ Mit Kriegsbeginn 1939 endete das Glück, und die Not begann. Als der Krieg endete, war sie siebzehn. „Ich erinnere mich an Nächte im Keller aus Angst vor Bomben. Vater kam nicht aus dem Krieg zurück. Meine Mutter und ich hatten es damals schwer.“

Helga Schönfeldt heiratete 1952, doch 1957 starb ihr Mann. Sie studierte Pharmazie und leitete später eine Krankenhausapotheke. Heute engagiert sie sich in ihrer Kirchengemeinde und im Verein „Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung Berlin-Britz“, den Bewohner vor drei Jahren gegründet haben. Der Verein engagiert sich für den Denkmalschutz, veranstaltet jährlich ein großes Siedlungsfest und organisiert Vorträge und Kulturabende. So war zum Beispiel der Schriftsteller Günter de Bruyn zu Gast, der seine Kindheit im Viertel verbrachte und aus seinen Erinnerungen las.

„Früher war es hier ganz anders“, sagt Helga Schönfeldt. „Es gab einen Milchladen, ein Seifengeschäft, Kurzwaren, eine sehr gute Drogerie – das ist alles weg. Nur der Fleischer war immer da, wo er auch heute noch ist, auch der Bäcker war im selben Lokal, aber er hatte darunter seine eigene Backstube und in dem Terrassenlokal an der großen Treppe eine Konditorei.“ Die vielen älteren Menschen in der Siedlung hätten mittlerweile Schwierigkeiten, die Wege zum Einkaufen zurückzulegen. Zum Glück gebe es noch den Wochenmarkt auf der Fritz-Reuter-Allee.

Das Engagement der jüngeren Leute im Förderverein hat auch hier Fortschritte gebracht. Sie haben erreicht, dass die Marktstände freitags bis 18 Uhr öffnen, jedenfalls bis Ende Oktober, denn eine Entwicklung ist nicht zu übersehen: Es ziehen viele Familien mit kleinen Kindern in die Siedlung, und zwar in die Reihenhäuser. „In den Einfamilienhäusern gibt es einen Wechsel, da wohnen jetzt Leute, die wirtschaftlich gut dastehen, sie kaufen die Häuser statt zu mieten. Dieser Strukturwandel tut der Siedlung gut“, meint Helga Schönfeldt, die bei den Vereinstreffen im Hufeisen-Restaurant regelmäßig ein Bierchen mit den jungen Leuten trinkt und viel von den Veränderungen mitbekommt.

Speziell Architekten und Bundesbeamte scheinen ein Faible für die Siedlung zu haben. Die Zuzügler, meist beruflich engagiert, schätzen es, wenn sie Biogemüse auch nach der Arbeit am Freitag noch auf dem Markt bekommen und dazu einen ordentlichen Espresso trinken können.

Doch das Idyll hat auch Risse. Nicht jeder Bewohner ist für Denkmalschutz, und viele haben Fragen. „Kürzlich bekam jeder Eigentümer Post vom Landesdenkmalamt, dass die Siedlung seit einigen Wochen auch Gartendenkmal ist. Was das aber bedeutet, stand in dem Brief nicht drin“, sagt Heinz-Rudolf Meißner, Vorstandsmitglied des Vereins. Darf man jetzt nur noch bestimmte Bäume pflanzen? Müssen gar welche gefällt werden? Helga Schönfeldt ist gespannt auf die neuen Diskussionen und die weitere Arbeit im Verein. Sie will auch bei den nächsten regelmäßigen Treffen dabei sein.

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