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Canisius-Kolleg: 15 weitere Opfer melden sich

Obwohl sie selbst am Berliner Canisius-Kolleg missbraucht wurden, haben einige der Opfer Jahre später ihre eigenen Kinder auf die katholische Privatschule geschickt. Nach dem Bekanntwerden der ersten sieben Fälle, meldeten sich nun weitere Betroffene.

Berlin - Nach dem Bekanntwerden von sieben Fällen sexuellen Missbrauchs am katholischen Canisius-Kolleg in Berlin haben sich am Freitag 15 weitere männliche Opfer gemeldet, wie der Rektor der Privatschule, Pater Klaus Mertes, am Freitag mitteilte. Die Übergriffe an minderjährigen Schülern wurden offenbar in den Siebziger- und Achtzigerjahren durch zwei Jesuitenpatres begangen. Nach Angaben der Schule haben einige Betroffene trotzdem ihre eigenen Kinder auf das Jesuitengymnasium geschickt. Mertes hatte nach „beschämenden Berichten“ einiger Opfer einen Rundbrief an über 500 Ex-Schüler geschrieben und sich für eventuelle Missbrauchstraumata entschuldigt. Der Rektor selbst war zur Tatzeit noch nicht an der Schule beschäftigt. Die Berliner Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen und prüft, ob eine Strafverfolgung möglich ist.

Das Canisius-Kolleg wird vom Jesuitenorden geführt, viele Absolventen sind heute in führenden Positionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tätig. Der nun bekannt gewordene Missbrauch wurde von zwei Patres begangen, die dem Orden inzwischen nicht mehr angehören. „Die Täter sind freiwillig ausgetreten“, sagte Jesuitensprecher Thomas Busch vom Provinzialat in München, der deutschen Zentrale der Jesuiten. „Keiner von beiden ist rausgeflogen“, sagte er dem Tagesspiegel. Sie seien 1992 und 1995 ausgetreten, die Gründe dafür teile das Provinzialat nicht mit, das sei Privatsache. Einer der Täter lebt heute offenbar in Südamerika. Die Canisius-Schule hatten beide Täter bereits Anfang der 80er Jahre verlassen – warum, werde noch ermittelt.

Ex-Schüler und Mertes berichteten davon, dass es einen Missbrauchsfall in den 80ern gegeben hat, aufgrund dessen ein Pater aus dem Schuldienst entfernt worden sein soll. Der Rektor schließt nicht aus, dass der Fall damals vertuscht wurde. „Ich glaube, dass weggeschaut wurde“, sagte Mertes. Ex-Schüler Johnny Hauesler schrieb in seinem Internetblog „Spreeblick“, unter den Ehemaligen sei bekannt, dass es einen Mordanschlag auf einen Pater gegeben habe, welcher dadurch schwer verletzt worden sei. Eine offizielle Stellungnahme des Provinzials gebe es frühestens an diesem Samstag, sagte sein Sprecher Thomas Busch. Der Generalobere des Jesuitenordens, Pater Stefan Dartmann, sei noch „auf Reise“. Rektor Mertes, der die Straftaten an die Öffentlichkeit gebracht hat, habe aber „volle Rückendeckung“ vom Provinzial.

Die Vorfälle kamen ans Licht, weil Pater Mertes Briefe an über 500 ehemalige Schülerinnen und Schüler geschickt hat, nachdem sich im Dezember fünf Opfer bei ihm gemeldet hatten. Der Rektor hatte eigenen Angaben zufolge bereits 2004 und 2005 von Missbrauchsfällen erfahren. Die beiden Opfer hätten ihn aber um absolute Diskretion gebeten, weshalb er den Fall 2005 nur bei der damaligen Missbrauchsbeauftragten der Jesuiten gemeldet habe. Wie intern damit verfahren wurde, werde nun ermittelt.

Am Freitag räumte das Erzbistum Berlin auf seiner Internetseite einen weiteren Missbrauchsverdacht gegen einen Priester in Berlin ein. „Normalerweise wird erst die Gemeinde informiert und dann die Öffentlichkeit“, sagte Pressesprecher Stefan Förner. „Doch aus aktuellem Anlass haben wir die Erklärung diesmal vorgezogen.“ Zwar sei das in Rom anhängige Verfahren noch nicht abgeschlossen, doch das Erzbistum will den Eindruck vermeiden, dass es etwas verschweigt.

Ferda Ataman

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