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Canisius-Kolleg: Missbrauchsopfer wollen entschädigt werden

Nachdem das Schweigen über den sexuellen Missbrauch am Canisius-Kolleg gebrochen ist, wollen die Opfer eine Entschädigung erreichen – notfalls per Klage auch gegen den Vatikan. Immer mehr Betroffene äußern sich.

Von Fatina Keilani

Mittlerweile sind es zwei Rechtsanwälte, die damit an die Öffentlichkeit gegangen sind. Rechtsanwältin Manuela Groll vertritt drei Mandanten; sie hofft noch auf eine außergerichtliche Einigung. „Die Opfer können nicht verzeihen und hätten sehr gern eine Genugtuung“, sagte sie gestern dem Tagesspiegel. Der Rektor des Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, habe auch Andeutungen gemacht, dass er sich eine Entschädigung vorstellen könne.

Mertes wollte sich dazu nicht äußern. Er bezeichnete den Wunsch nach Entschädigung als „in der Logik der Opfer verständlich“, sagte aber: „Es steht mir zum gegenseitigen Zeitpunkt nicht zu, mich dazu öffentlich zu äußern.“ Offen ließ Mertes, ob er dem Wunsch der Anwältin nach Einsicht in die Akten des Ordens nachkomme.

Von den drei Mandanten Grolls wollen zwei anonym bleiben; deswegen würden sie sich im Falle einer Klage dem dritten anschließen. Es handele sich um Menschen in exponierten Positionen, so Groll; wenn von ihnen bekannt würde, dass sie missbraucht wurden, wäre das schädlich.

Rechtsanwalt Lukas Kawka will sogar den Vatikan verklagen. Der Heilige Stuhl als oberster Dienstherr des Jesuitenordens könne sich angesichts der gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichteten Straftaten nicht auf die Staatsimmunität berufen. „Vonseiten des Vatikans wurde uns ein telefonischer Gesprächstermin zugesichert“, teilte Kawka mit. Wie viele Mandanten er vertritt und was er für diese erreichen will, sagte er auch auf Nachfrage nicht. Auch eine Sammelklage in den USA erwäge er, wenn US-Bürger unter den Opfern gewesen seien. Bislang gibt es aber keine derartigen Hinweise. In den USA sind wesentlich höhere Entschädigungen üblich als in Deutschland. Die Deutsche Kinderhilfe hat indes gestern gegenüber der Nachrichtenagentur KNA eine solche Klage als „Instrumentalisierung der Missbrauchsopfer“ kritisiert.

Die Last, in ihrer Jugend missbraucht worden zu sein, beschäftigt viele frühere Canisius-Schüler bis heute. Etliche von ihnen schreiben unter Pseudonym im Internetblog Spreeblick.de; dort stieg die Zahl der veröffentlichten Erlebnisse erneut. Der Beauftragte für die Untersuchung sexuellen Missbrauchs durch Geistliche im Erzbistum Berlin, Stefan Dybowski, rechnet mit dem Bekanntwerden weiterer Fälle. Auf Spreeblick schildert ein Mann, nach eigenen Angaben von 1972 bis 1980 auf der Schule, seine Erlebnisse mit Peter R. – einem der drei Beschuldigten: „Ich war 13 ( ...), R. war ein Lehrer, ein Pater, der Leiter der Jugendarbeit. Mit meinen Eltern reden? Was soll ich denn sagen? Das Vokabular, das ich hätte benutzen sollen, führte entweder zu Stottern oder zu hochroten Ohren oder war mir gar nicht bekannt.“ Berlins Kardinal Georg Sterzinsky verurteilte den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche nachdrücklich. In der Vergangenheit sei das Thema „offensichtlich vernachlässigt“ worden.

Zahlen des Senats belegen, dass sexueller Missbrauch nicht nur ein Problem religiös geprägter Schulen ist. In den vergangenen zehn Jahren wurden 17 Lehrerinnen und Lehrer wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs angezeigt; in zehn Fällen bestätigte sich der Verdacht, oder es wird noch ermittelt. Laut Martin Sand, Sprecher der Bildungsverwaltung, wurden seit 2000 fünf Lehrer entlassen. Vier Disziplinarverfahren laufen noch, in zwei Fällen stehen Gerichtsverfahren aus.

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