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Berlin: CDU favorisiert Unions-Politiker Bohm als neuen Präsidenten

Mit der Ernennung neuer Richter tut sich Berlin derzeit nicht sehr leicht. Neben dem Verfassungsgericht könnte nun auch die Besetzung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) zu einem Problemfall werden.

Mit der Ernennung neuer Richter tut sich Berlin derzeit nicht sehr leicht. Neben dem Verfassungsgericht könnte nun auch die Besetzung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) zu einem Problemfall werden. Seit Montag vergangener Woche ist das Amt führungslos, weil der bisherige Präsident Dieter Wilke in den Ruhestand ging. Die Berliner CDU favorisiert einen Unions-Politiker als Nachfolger: Joachim Bohm. Bohm, Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht, ist CDU-Abgeordneter in Berlin und gilt als ausgesprochen konservativ. Seit der Name im Gespräch ist, herrscht "allgemeine Empörung" auf den Fluren des Oberverwaltungsgerichts. Die Richter fürchten um ihre parteipolitische Unabhängigkeit.

Die Aufregung hat einen Grund. Von Bohm wird die Aussage kolportiert, eine richterliche Entscheidung wie am 29. Januar, als das Oberverwaltungsgericht eine Neonazi-Demonstration durch das Brandenburger Tor ziehen ließ, würde es unter ihm als OVG-Präsidenten nicht geben. Unter den Richtern wird die Diskussion um die Demonstrationsfreiheit mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, seit Innensenator Werthebach und der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky Druck auf die Richter ausgeübt haben, das Versammlungsrecht restriktiver auszulegen. Die CDU suche deswegen einen linientreuen Parteimann, um die Rechtsprechung längerfristig beeinflussen zu können, glaubt ein Richter.

Bohm gilt im Abgeordnetenhaus als Werthebach-nah. Im Untersuchungsausschuss zu den tödlichen Schüssen am israelischen Generalkonsulat verteidigte er vehement die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Als verfassungsschutzpolitischer Sprecher der Union im Abgeordnetenhaus stellte er sich vor den wiederholt stark kritisierten Verfasssungsschutz. Durch diese inhaltliche Nähe zum Innensenator, fürchten die Richter, könnte das wichtige Amt des OVG-Präsidenten zu einem parteipolitischen Amt werden. Das Oberverwaltungsgericht entscheidet unter anderem über das Verbot von Demonstrationen.

Bohm selbst weist allerdings einen kritischen Kommentar zum OVG-Urteil von Ende Januar zurück. "Eine solche Äußerung hat es von mir nicht gegeben", sagt der 49-Jährige. "Ich halte nichts von Richterschelte." Bohm sagte, er halte die Führung des OVG "für eine reizvolle Aufgabe". Er wolle aber einer endgültigen Entscheidung des Senats nicht vorgreifen und sich nicht einmischen. "Ich bin ein strikter Verfechter der Gewaltentrennung", sagte Bohm auf Anfrage des Tagesspiegel. Für Verbote von Demonstrationen wie der jüngsten Nazi-Aufmärsche reiche das bisherige Versammlungsrecht völlig aus, "man muss es nur konsequent anwenden".

Ob Oberstaatsanwalt Bohm tatsächlich auf den vakanten OVG-Chefsessel wechselt, hängt maßgeblich von der Zustimmung der SPD ab. Der OVG-Präsident muss durch einfache Mehrheit im Abgeordnetenhaus gewählt werden. Wenn die Richter durch einen CDU-Mann die parteipolitische Unabhängigkeit gefährdet sähen, sei Bohm nicht der richtige Kandidat, sagt ein Sozialdemokrat. An der Spitze einer solch wichtigen Institution dürfe es zudem keine zu deutliche politische Präferenz geben.

Unter den Richtern wird immer wieder der Name eines parteipolitisch unabhängigen Kandidaten genannt: Jürgen Kipp, Richter am Bundesverwaltungsgericht, dem herausragende fachliche und persönliche Qualitäten zugeschrieben werden.

Eine Entscheidung könnte schon bald fallen. Diepgen, heißt es, will jedenfalls eine schnelles Verfahren.

Holger Stark

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