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Chaos ohne Ende: Steuerungsrunde soll die S-Bahn kontrollieren

Bundestagsabgeordnete unterstützen Betriebsrats-Vorschlag, die S-Bahn von einer Runde aus Politikern, Gewerkschaftern und Behörden kontrollieren zu lassen. Aber wann wird entschieden?

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Die Missstände bei der Berliner S-Bahn waren den Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn und den S-Bahn-Aufsichtsräten bereits seit 2006 bekannt. Dieses Fazit zogen die Abgeordneten des Verkehrsausschusses des Bundestages nach einer nichtöffentlichen Anhörung am Mittwoch. Vor allem das Gutachten, das die Deutsche Bahn bei der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz in Auftrag gegeben und im Februar 2010 vorgestellt hatte, sei ein „Weißwäsche-Bericht“ für die Vorstände, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer. Der S-Bahn-Betriebsrat fordert jetzt eine Steuerungsrunde mit Landes- und Bundestagsabgeordneten, Gewerkschaften, den Landesbehörden und dem Verkehrsministerium.

SPD, Grüne wie die Bundestagsabgeordneten Lisa Paus oder auch Kai Wegner, Vorsitzender der CDU-Landesgruppe der CDU/CSU-Fraktion, unterstützen diesen Vorschlag. „Es muss in den Gesprächen nun darum gehen, einen konkreten Zeitplan zur Lösung der S-Bahnprobleme zu entwickeln“, sagte Wegner. Der CDU-Obmann im Ausschuss, Dirk Fischer, hätte nichts gegen den Vorschlag, erwartet aber, dass die S-Bahn die Initiative ergreift und einlädt. Nach Ansicht des Chefs des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz, der ebenfalls angehört worden war, kann ein solches Gremium aber nur funktionieren, wenn es von der Bahn AG Vollmachten für ein eigenständiges Handeln erhält.

Der Ausschussvorsitzende Winfried Hermann (Grüne) kritisierte, dass die S-Bahn immer wieder auf technische Probleme verweist, die Informationen für die Fahrgäste aber zu kurz kommen lässt. Abgeordnete und Fahrgäste würden mehr Transparenz erwarten. Franz kritisierte, dass nach derzeitigen Plänen erst 2015/16 alle S-Bahnhöfe moderne Informationssysteme haben sollen.

Unzufrieden mit der Situation bei der S-Bahn ist auch der Betriebsrat. „Mit der Faust in der Tasche“ würden die S-Bahn-Mitarbeiter darauf warten, dass unter anderem Gelder „kurzfristig“ in die S-Bahn fließen, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Peter Polke. Er kritisierte, dass die Werkstattkapazitäten bisher nicht erhöht worden seien und forderte mehr Personal. Zurzeit sind bei der S-Bahn rund 3000 Mitarbeiter beschäftigt.

Die mittelfristige Finanzplanung des Konzerns, die dem Tagesspiegel vorliegt, sah vor dem aktuellen Winterdesaster aber bereits wieder vor, dass die S-Bahn in den nächsten Jahren nach Verlusten 2010 und 2011 erneut Gewinne an den Konzern abführt – 2012 sollten es bereits rund 19 Millionen Euro sein, 2015 sogar über 60 Millionen Euro.

Ob neue Züge bestellt werden oder ob eine Bestellung von der Ausschreibung des Verkehrsvertrags abhängig gemacht wird, wollte S-Bahn-Chef Peter Buchner nicht beantworten. „Wir betreiben keine Spekulationen“, sagte Buchner.

Über die Entschädigungsfrage werde bis Ende des Monats entschieden. Dem Vernehmen nach will die S-Bahn die bisherigen „Entschuldigungsleistungen“ mit Freifahrten für Abonnenten und der Anerkennung von Einzelfahrscheinen als Tageskarten wiederholen – aber nur für einen Monat. Hier soll dem Konzern bereits signalisiert worden sein, dass ein solches Angebot angesichts der Einschränkungen im Betrieb nicht ausreiche.

Auch woanders muss die Bahn für mangelhafte Leistungen Kunden entschädigen. In Stuttgart, wo der Betrieb wegen der Bauarbeiten für das Projekt „Stuttgart 21“ monatelang eingeschränkt war, dürfen Stammkunden an den Wochenenden im Februar eine Person gratis mitnehmen, was dort sonst nicht vorgesehen ist.

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