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Polizeibeamte sichern am 09.10.2015 das Gelände des LaGeSo. Hier warten Flüchtlinge auf ihre Registrierung und die Zuweisung eines Schlafplatzes.

© Kay Nietfeld/dpa

Chaos vor Lageso in Berlin hält an: Staatsanwaltschaft und Polizei sollen bei Erfassung von Flüchtlingen helfen

Wartemarken sollen verkauft, Flüchtlinge von einem Sicherheitsmann beleidigt worden sein. Die neue Registrierungsstelle in der Bundesallee wird mit BER-Bänken ausgestattet.

An Kritik am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mangelt es nicht. Nun hat sich der Senat zum Vorwurf geäußert, dass Flüchtlingen vor dem Lageso gegen Geld Wartemarken angeboten würden, mit der sie in der Schlange nach vorn rücken konnten. Die Sozialverwaltung erklärte, dass es vor dem Lageso in Moabit tatsächlich zu solchen Verstößen gekommen sein könnte. Es bestehe der Verdacht, „dass mindestens ein – auf Honorarbasis beschäftigter – Sprachmittler sowie ein Mitarbeiter eines externen Personaldienstleisters“ von wartenden Flüchtlingen für eine Wartemarke etwas verlangt habe. Das Amt habe sämtliche Beziehungen mit den beiden Personen beendet, Hausverbote erteilt und sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die interne Revision informiert, sagte eine Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Wartenummern würden nur noch durch Mitarbeiter des Lageso ausgegeben, die als solche auch erkennbar sind. Die Piraten kritisieren die Lage vor dem Lageso seit langem. Der Zustand, sagte Fabio Reinhardt von der Abgeordnetenhausfraktion, schüre Unzufriedenheit und erschüttere das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Beleidigungen von Flüchtlinge durch Sicherheitsleute?

Vorwürfe, wonach einzelne der am Lageso eingesetzten Sicherheitsmänner einige Flüchtlinge beleidigt oder bedroht haben sollen, bestritten sowohl das Wachunternehmen als auch die Senatsverwaltung. Bekannt ist, dass für diese Wachfirma meist Männer aus Einwandererfamilien arbeiten. Mindestens einer davon präsentierte sich im Internet als Anhänger der türkisch-nationalistischen Rechten. Vor allem unter syrischen Flüchtlingen befinden sich zahlreiche Kurden, Aramäer und Armenier – Minderheiten, die auch in der Türkei verfolgt worden sind. Für den Sicherheitsdienst sollen nach Eigenangaben aber selbst acht Berliner Kurden arbeiten. Wegen der Masse an Flüchtlingen ist die Zahl der Sicherheitskräfte auf dem Gelände von 25 auf 66 Mitarbeiter erhöht worden.

Bänke des BER werden für neues Bearbeitungszentrum verwendet

Am 15. Oktober soll das neue Bearbeitungszentrum in der Bundesallee das Lageso entlasten. Die Umzüge beteiligter Abteilungen aus dem Lageso, der Ausländerbehörde und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge seien für nächste Woche geplant, teilte eine Sprecherin von Senator Czaja mit. Der Wartebereich in der Schalterhalle des Gebäudes werde mit Bänken des neuen Terminals des BER in Schönefeld ausgestattet. Die Bänke waren bislang eingelagert, also noch nicht im Boden des Flughafens montiert. Bundeswehrsoldaten werden die Möbel in die Bundesallee transportieren.

Der von den Vivantes-Kliniken gestellte Caterer versorgt die Wartenden auf dem Lageso-Gelände ab sofort am Nachmittag mit einer warmen Extramahlzeit. Verbesserungen könnte es auch in der kürzlich ausgebauten „Bearbeitungsstraße“ in der Moabiter Kruppstraße geben. Dort werden am Tag 100 Männer, Frauen und Kinder registriert. „Weitere Arbeitsplätze für Sachbearbeiter stehen dort zur Verfügung“, hieß es. „Die Kapazitäten können ausgebaut werden, sobald neues Personal vorhanden und eingearbeitet ist.“

Staatsanwaltschaft und Polizei sollen bei der Erfassung helfen

Nun äußern sich auch Czajas Senatskollegen zu den überforderten Behörden: Staatsanwaltschaft und Polizei sollen ab kommender Woche bei der Erfassung von Flüchtlingen helfen. Innensenator Frank Henkel und Justizsenator Thomas Heilmann (beide CDU) erklärten, dass Staatsanwälte die Registrierung beschleunigen können. Sie würden auch über „komplexe Rechtsfragen“ zur Strafbarkeit der Einreise entscheiden können. Dies beschleunige Abläufe, weil in vielen Fällen keine unnötigen Strafverfahren eingeleitet würden. Im Sommer waren viele Flüchtlinge vom völlig überlaufenen Lageso zu Polizeiwachen gegangen, um sich dort zu melden. Die Helfer der Initiative „Moabit hilft“ hatten sich am Donnerstag erneut darüber beschwert, dass sich entgegen „aller Behauptungen und Mutmaßungen“ wenig an den katastrophalen Zuständen am Lageso geändert habe. Freiwillige würden „organisieren, kochen, sortieren, behandeln, pflegen, bespaßen, informieren, betreuen, begleiten, trösten, transportieren“ – kurz: Das Amt sei nach wie vor völlig überfordert. Senator Czaja selbst hatte zugegeben, ohne Ehrenamtliche sei die Lage kaum zu bewältigen.

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