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Berlin: Charité-Chef an der kurzen Leine

Aufsichtsrat verhängt Einstellungsstopp und kippt Rabattplan für Professoren

Die Sitzung des Aufsichtsrates der Charité am gestrigen Freitag muss für den Vorstandschef des Klinikums, Detlev Ganten, eine ungemütliche Sache gewesen sein. Denn zum einen nimmt das Aufsichtsgremium den Vorstand wirtschaftlich an die kurze Leine – und zum anderen wird Ganten gezwungen, sich mit einigen seiner prominentesten Professoren wegen derer Nebeneinkünfte anzulegen.

Der Aufsichtsrat verpflichtete den Vorstand, bis zum 19. August ein detailliertes Sanierungskonzept vorzulegen; ein Zeichen der Unzufriedenheit mit dem Arbeitstempo der Charité-Führungsriege. Außerdem will man so der Gewerkschaft Verdi entgegenkommen, die ein solches Konzept verlangt, um über einen Lohnverzicht reden zu können. Ab August sollen dann auch offiziell die Tarifverhandlungen wieder aufgenommen werden. Die betriebsbedingten Kündigungen von insgesamt 1500 Mitarbeitern, mit denen der Vorstand nach den im Mai gescheiterten Gesprächen über einen Nottarif Druck auf Verdi machen wollte, werden so unwahrscheinlicher – auch wenn der Aufsichtsratsvorsitzende, Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS), diese Drohung offiziell nicht zurückziehen will. Gleichzeitig rückte der Aufsichtsrat von der Einsparsumme von jährlich 40 Millionen Euro ab, die bei einem Lohnverzicht der 15 000 Charité-Beschäftigten herauskommen müsse. „Da ist noch Spielraum drin“, sagte Flierl. „Die Differenz muss dann aber woanders eingespart werden.“

Ebenfalls unzufrieden ist der Aufsichtsrat mit dem Fortschritt beim Personalabbau. Während im vergangenen Jahr die Zahl der Vollzeitstellen an der Charité nach Tagesspiegelinformationen um rund 350 auf 10 940 sank, hat sie sich in den ersten fünf Monaten 2005 nicht geändert. „Ungenügend“ befand der Aufsichtsrat und verhängte einen Einstellungsstopp. Insider schätzen die Zahl der jährlich durch die Fluktuation – wie Ruhestand oder das Auslaufen von Zeitverträgen – an der Charité frei werdenden Stellen auf bis zu 600. Insgesamt sollen bis 2010 fast 2300 Vollstellen wegfallen.

Nur in Ausnahmefällen könne jetzt noch die eine oder andere Stelle wiederbesetzt werden, zum Beispiel im technischen Bereich, sagte Flierl. Kritiker warnen davor, dass lebenswichtige Bereiche an dem Klinikum durch den Einstellungsstopp zusammenbrechen könnten.

Gestern kippte der Aufsichtsrat auch eine Vorlage, mit der Charité-Chef Ganten einen seit fünf Jahren dauernden Rechtsstreit mit elf Chefärzten beenden wollte. Diese hatten in den 90er Jahren Dienstleistungen, etwa Laboruntersuchungen, für Patienten anderer Kliniken erbracht und dafür Honorare in Millionenhöhe erhalten. 1996 beschloss die Charité, dass diese Nebeneinkünfte aller Professoren größtenteils ihr selbst als Arbeitgeber zustünden. Einige Chefärzte stimmten dem zu. Mit elf Professoren aber prozessiert man seit 2000 um Rückforderungen von zehn Millionen Euro. Ganten wollte den Ärzten nun 4,1 Millionen Euro der Summe erlassen, um sich mit ihnen außergerichtlich zu einigen. Das hat der Aufsichtsrat abgelehnt: „Schon im Interesse der Gleichbehandlung darf es solch einen Rabatt für einzelne nicht geben“, sagt Flierl.

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