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Karl Max Einhäupl. Der Neurologe ist seit September 2008 Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité.

© Thilo Rückeis

Charité-Chef Einhäupl im Interview: „Es ist nicht alles optimal gelaufen“

Karl Max Einhäupl, Chef der Berliner Charité, spricht im Tagesspiegel-Interview über das Krisenmanagement seines Hauses nach der Infektionswelle bei Frühgeborenen.

Von Sandra Dassler

Herr Einhäupl, nach dem Ausbruch der so genannten Serratia-Keime auf der Frühgeborenenstation im Virchow-Klinikum der Charité lief einiges schief in Sachen Information und Kommunikation. Warum?

Ganz sicher nicht, wie von manchen gemutmaßt, um etwas zu beschönigen oder gar zu verschweigen.
Also eher Unvermögen?
Auch nicht. Möglicherweise ist nicht alles optimal gelaufen – bei einem solch komplexen Geschehen ist das nicht ganz auszuschließen. Aber der hauptsächliche Grund war und ist die Gratwanderung zwischen öffentlichem Interesse und ärztlicher Schweigepflicht beziehungsweise Fürsorgepflicht gegenüber Patienten.
Sie meinen gegenüber den Eltern des verstorbenen Babys?
Vor allem, ja. Es ist doch furchtbar, wenn da jetzt Bilder vom geöffneten Grab durch die Medien gehen oder in allen Details über den Tod dieses kleinen Menschen berichtet wird. Und die Kamerateams gewisser Medien stehen inzwischen auch vor den Wohnungen der Eltern, die ein Frühgeborenes auf der gesperrten Station haben: Eltern, die ohnehin in einer extremen Ausnahmesituation sind. Denn Frühgeborene unter 1200 Gramm sind immer in Gefahr.
Um auf das verstorbene Kind zurückzukommen: da hatte man schon den Eindruck, dass niemand Bescheid wusste. Zumal es zeitweilig sogar hieß, die Leiche sei verschwunden.
Die Information kam nicht von der Charité sondern von der Staatsanwaltschaft. Tatsächlich war das Kind ja zuletzt Patient im Herzzentrum gewesen. Es wurde auf unsere Frühgeborenenstation verlegt, weil dort besonders günstige Bedingungen für immungeschwächte und schwerkranke Babys herrschen. Dazu gehören extrem strenge Hygienevorschriften.
Einige Eltern haben uns berichtet, dass diese strengen Vorschriften dort nicht immer eingehalten wurden. So sollen Ärzte und Schwestern Kittel und Mundschutz nicht gewechselt haben, wenn sie von einem Kind zum anderen gingen.
Wenn solche Vorwürfe erst einmal öffentlich kolportiert werden, finden sich schnell Zeugen, die bestätigende Beobachtungen zu Protokoll geben oder eigene Wahrnehmungen verallgemeinern. Ich bin sehr sicher, dass unsere Mitarbeiter die Hygienevorschriften penibel einhalten. Ich konnte jedenfalls noch kein Fehlverhalten feststellen. Auch deshalb sind wir führend in der Betreuung sehr kleiner Frühchen und haben dabei so gute Ergebnisse.
Sie haben schon vor Tagen gesagt, was jetzt auch die Obduktion bestätigt hat: dass die Infektion mit dem Serratia-Keim nicht ursächlich für den Tod des Kindes war. Was machte Sie so sicher?
Dieses Kind, das übrigens kein Frühgeborenes war, kam mit einem schweren Herzfehler zur Welt. Bitte ersparen Sie mir und den Eltern die Details, aber das Baby wäre ohne Operation gestorben. Und auch mit Operation betrug seine Überlebenschance weniger als 50 Prozent.
Das heißt, jedes zweite Kind überlebt diese Operation nicht?
Genau. Die Operation vielleicht, aber nicht die Tage danach. Dieses Kind hat Fieber bekommen, ist aber nicht an Blutvergiftung gestorben. Der Serratia-Keim kann eine Rolle gespielt haben, ursächlich für den Tod war er nicht.
Und es steht nicht einmal fest, dass das Kind sich in der Charité infiziert hat?
Nein, es wurde bei uns zwar am 25. September getestet, aber dieser Test war zum Zeitpunkt der Verlegung am 29. September negativ. Natürlich kann es sich auch nach dem 25. September noch in der Charité infiziert haben.
Warum wurde dann bei der ersten Pressekonferenz, mit der die Öffentlichkeit über den Ausbruch des Keims und die Schließung der Neonatologie informiert wurde, überhaupt ein Zusammenhang zu diesem Baby hergestellt?
Weil unsere Hygienebeauftragte, die hochqualifizierte Wissenschaftlerin Petra Gastmeier, nicht nur die Charité sondern auch das Herzzentrum im Blick hatte und einen identischen Keim feststellte. Wir sind zum Glück gut vernetzt.

Kritiker bemängeln, dass die Hygienebeauftragte keine Weisungsbefugnis in der Charité hat. Stimmt das?
Natürlich sind die behandelnden Ärzte angehalten, die Hinweise und Vorschläge der Hygienebeauftragten umzusetzen. Aber Sie können mir glauben, dass da ein sehr kollegialer Umgang gepflegt und an gemeinsamen Lösungen gearbeitet wird, wobei letztlich immer das Wohl des Patienten im Mittelpunkt steht.
Herr Einhäupl, Sie leiten eine der renommiertesten medizinischen Einrichtungen Deutschlands. In den vergangenen Jahren und Monaten sind immer wieder Bedenken wegen des Outsourcings der Reinigungsfirmen in der Charité erhoben worden. Die Putzkräfte selbst haben wegen schlechter Löhne und knapper Zeitvorgaben gestreikt, Kritiker sagen, viele Billigkräfte verstünden nicht einmal Deutsch. Muss sich da nicht endlich etwas ändern?
Hier sind ausschließlich gut eingewiesene Fachkräfte eingesetzt, die sowohl von den Vorgesetzten innerhalb der für die Reinigung zuständigen CFM als auch von den Vorgesetzten aus der Charité kontrolliert werden. Auch im Reinigungsdienst gibt es eine Hierarchie der Verantwortlichkeiten. Oder anders ausgedrückt: Hinter jeder Reinigungskraft steht ein Vorarbeiter und hinter jedem Vorarbeiter ein Bereichsleiter.
Das Gespräch führte Sandra Dassler.

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