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Berlin: Chef der Staatskanzlei wusste, dass Stolpe ihn nicht länger haben wollte

"Ein guter Abgang", so lauteten die Kommentare in der Staatskanzei. Selbst die internen Kritiker von Jürgen Linde, von denen es in der Landesregierung nicht wenige gibt, äußerten sich anerkennend.

"Ein guter Abgang", so lauteten die Kommentare in der Staatskanzei. Selbst die internen Kritiker von Jürgen Linde, von denen es in der Landesregierung nicht wenige gibt, äußerten sich anerkennend. Linde hatte Ministerpräsident Manfred Stolpe am Dienstag vor der Kabinettsitzung unterrichtet, dass er mit Ablauf der Legislatur aus der Regierung ausscheiden wolle. Stolpe entsprach Lindes Wunsch sofort. In einem Rundfunk-Interview erklärte Linde danach, er werde bald 65, gehe auf den dritten Lebensabschnitt zu. Da wolle er frei sein, das zu tun, was ihm besondere Freude bereite: Nämlich sich um den Tourismus kümmern. Kein Zorn, keine Polemik, keine Abrechnung. Das hatten manche dem Raubein, dessen Stern keinesfalls erst seit dem Flughafen-Debakel im Sinken begriffen war, nicht zugetraut.

Dass Linde gerade jetzt, zu Beginn der Koalitionsgespräche, seinen Abschied ankündigte, hat einen psychologischen Hintergrund: Zum einen war ihm bewusst, dass Stolpe ihn nicht wieder holen würde. Der Staatskanzlei-Chef, der die Aufsicht über die geplatzte Flughafen-Privatisierung hatte, war im Zusammenhang damit und mit den die Staatsanwaltschaft beschäftigenden Verwicklungen selbst unter Druck geraten. Vor allem sein Verhältnis zum Chef der WIB-Ingenieurgesellschaft Herbert Märtin, gegen den wegen Betrugsverdachts ermittelt wird, gab zu Spekulationen Anlass. Überdies nahm in den letzten Jahren in der Landesregierung die Kritik an der Arbeit der Staatskanzlei immer mehr zu. Linde kümmere sich nur noch um Flughafen und Tourismus, wurde immer wieder geklagt. Die eigentliche Aufgabe der Staatskanzlei, nämlich Regierungsplanung und -koordination, finde nicht mehr statt - möglicherweise von Stolpe gewollt, der eine Neigung hat, Wichtiges an sich zu ziehen. "Der MP hat eine zweite Staatskanzlei aufgebaut", wird geraunt.

So kann es eigentlich nicht überraschen, dass Stolpe und Linde nach dem Scheitern der Länder-Fusion, die Linde als Verhandlungsführer mitzuverantworten hatte, immer mehr auseinander kamen. Stolpe habe Linde, heißt es in der Staatskanzlei, zuletzt in wichtige Angelegenheiten nicht mehr eingebunden. "Ihre Kommunikation war gestört." Aufmerksam registriert wurde auch, dass Stolpe in die Kommission für die Koalitionsverhandlungen mit CDU und PDS schon nicht mehr seinen Kanzlei-Minister, sondern dessen möglichen Nachfolger Rainer Speer berief. Linde, der oft wegen seiner mangelnden Sensibilität geziehen wurde, hat dieses Signal wohl verstanden. Indem er selbst seinen Abschied ankündigte, ersparte er sich im Grunde eine Demütigung bei der Regierungsbildung. Indem er selbst die Initiative ergriff, verschaffte er Stolpe, zu dem er übrigens immer loyal stand, aber auch größeren Spielraum bei der Regierungsbildung. "Ein Problem ist jetzt gelöst", heißt es im Umfeld Stolpes.

Zwar hat dieser sich noch nicht entschieden, wer Nachfolger werden soll, doch werden Umwelt-Staatssekretär Rainer Speer gute Chancen eingeräumt. Stolpe und Speer können gut miteinander kommunizieren, über die Jahre hinweg hat sich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Speer gilt als geschickter Stratege. Ihm wird zugetraut, die Staatskanzlei auf Vordermann zu bringen. "Gerade in einer Koalition kann er für Stolpe nützlich sein", heißt es.

Michael Mara

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