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Berlin: Chef-Ermittler gegen Extremisten muss gehen

Generalstaatsanwalt Karge versetzt Oberstaatsanwalt. Experte für politische Kriminalität kümmert sich jetzt um Allerweltsdelikte

Von Frank Jansen

Sie verfolgen extremistische Straftäter und geraten nun selbst zunehmend in Bedrängnis. Nachdem die Abteilung 11 der Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr personell reduziert wurde, folgt jetzt der zweite Rückschlag: Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge versetzt den Leiter der Abteilung, Oberstaatsanwalt Jürgen Heinke, überraschend zum 1. April in ein anderes Ressort. In der Abteilung 4 soll sich der Spezialist für politisch motivierte Kriminalität mit Fahrraddiebstählen und anderen „normalen“ Taten befassen. Entsprechende Informationen des Tagesspiegels bestätigte gestern der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald. Zu den Gründen sagte Grunwald nichts.

In Justizkreisen wird Karges Schritt als „Strafaktion“ gegen Heinke gewertet, der „degradiert“ worden sei. Der Oberstaatsanwalt habe sich offenbar zu hartnäckig darum bemüht, dass angesichts der Zunahme extremistischer Delikte in Berlin seine Abteilung nicht ausgedünnt wird.

Im Juli 2004 hatte Karge eine Staatsanwältin der Abteilung 11 versetzt, später strich er die frei gewordene Stelle. Damit schrumpfte die Zahl der von Heinke geführten Staatsanwälte von sieben auf sechs. Vor elf Jahren waren es acht Staatsanwälte. Während die Stellen reduziert wurden, stieg die Zahl der Vorgänge, mit denen sich die Abteilung auseinander setzt, um ein Drittel auf etwa 3000.

Im vergangenen Jahr musste Heinke nicht nur den Verlust der von Karge abgezogenen Staatsanwältin verkraften. Der Abteilungsleiter konnte mit Mühe erreichen, dass für einen weiteren Staatsanwalt, den Karge Ende Mai versetzt hatte, Anfang Juli ein neuer Kollege kam. Der Zeitpunkt von Versetzung und Neuaufnahme hätte für die Abteilung 11 kaum ungünstiger sein können: Die Staatsanwälte waren nach den Krawallen des 1. Mai mit rund 100 Haftsachen beschäftigt, die zusätzlich bearbeitet werden mussten.

Dass Karge sechs Wochen vor dem nächsten 1. Mai Heinke umsetzt, halten Justizkreise auch für eine Reaktion auf den Tagesspiegel-Artikel vom Dienstag über die Probleme der Abteilung 11. Heinke, der das Ressort seit 1998 leitet, war gestern nicht zu sprechen, ebenso wenig wie Karge. Das seit langem zu spürende Unverständnis Karges für die Erfordernisse der Abteilung 11 habe Heinke so zugesetzt, dass er mit Verdacht auf ein Magengeschwür behandelt werde, hieß es in Justizkreisen.

Eine Sprecherin von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) sah gestern „keine Veranlassung, anzunehmen, dass die Arbeit der Abteilung beeinträchtigt wird“. Er nehme Karges Maßnahme zur Kenntnis, sagte der Chef der Generalstaatsanwaltschaft, Dieter Neumann, „ob mit Freude oder nicht, sei dahingestellt“. Der CDU-Rechtsexperte Andreas Gram kündigte an, Karges Umgang mit der Abteilung 11 werde im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses zur Sprache kommen.

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