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Wahlkampf vor Augen: Frank Henkel und Michael Müller sind schon länger auf Abstand - nun hat der Regierende seinen Koalitionspartner nich über die BER-Volte informiert.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Chefposten im BER-Aufsichtsrat: Michael Müller bereitet den Wahlkampf vor

Dass Michael Müller nun doch den BER-Aufsichtsrat leiten will, kam für viele überraschend. Auch Koalitionspartner Frank Henkel erfuhr das mit Verspätung. Ein Hauch von Wahlkampf ist zu spüren.

Da macht sich einer schon warm für den Wahlkampf 2016. Anders ist der Entschluss des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, für den BER-Aufsichtsratsvorsitz zu kandidieren, kaum zu verstehen. Die kommenden zwölf bis 14 Monate seien entscheidend, um die BER-„Katastrophe endlich mal in Ordnung zu bringen“, sagte Müller in dieser Woche. Dass er dazu den Vorsitz des Kontrollgremiums übernehmen will, entspreche seinem Verständnis von Verantwortung.

Müller dementierte, indem er seine Kandidatur für den Vorsitz des BER-Kontrollgremiums ankündigte, alles, was er zuvor an Umgestaltungsplänen für die BER-Führung öffentlich erörtert hatte. Kein Wunder, dass nicht nur der Brandenburger Finanzminister Christian Görke (Linke) von einer „Rolle rückwärts“ sprach.

Manche sagen, Müller sei nichts anderes übrig geblieben, Martin Delius, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus zum Beispiel. Eigentlich hatte Müller in die Gesellschafterversammlung wechseln wollen. Im Aufsichtsrat – da war er sich mit seinem Berliner Koalitionspartner Frank Henkel einig – sollten in Zukunft nicht die Politiker, sondern Fachleute mit wirtschaftlicher und technischer Expertise das Sagen haben. Doch nichts ging voran, die Meinungsverschiedenheiten darüber, wie es mit dem BER weitergehen sollte, wurden zwischen den Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg eher größer. Da entschloss sich Müller zum Alleingang.

"Das ist entschlossene Unentschlossenheit"

Dass die Ansage vom Mittwochabend durchaus einen Unterton von Wahlkampf hat, zeigt Müllers Umgang mit dem Koalitionspartner: Frank Henkel, Innensenator, Bürgermeister und Vorsitzender der mitregierenden CDU, war nicht vorab informiert worden – und das, obwohl er mit Müller noch am Nachmittag desselben Tages über andere Themen gesprochen hatte.

Henkel beeilte sich mitzuteilen, dass er Müllers Vorhaben unterstütze. Aus seinem Umfeld hört man aber, dass sie in der CDU von Müllers Vorgehensweise nicht viel halten. Weniger Politik, mehr Expertise im Flughafen-Aufsichtsrat – das sei seit Langem Henkels Interesse gewesen, er habe entsprechende Leute gesucht und gefunden. „Die Ansage war aber, wir machen das zusammen“, heißt es in Richtung Müller, und: „Was hat Müller jetzt gemacht, was er nicht vor einem halben Jahr schon hätte machen können? Das ist entschlossene Unentschlossenheit, die wir hier sehen.“

Müller zeigt Henkel, wer das Kommando hat

Womöglich hat der Regierende die Gelegenheit genutzt, um Henkel ein wenig zu demütigen – getragen von neuem Selbstbewusstsein nach seinem Coup zur Beendigung des jüngsten Berliner Theaterstreits durch die Benennung von Chris Dercon als künftigem Volksbühnen-Leiter. Henkel hat schon mal die Erfahrung gemacht, dass ein SPD-Regierender ihn lehrt, wer im Senat das Kommando hat: Als Henkel vom Senat das Votum zur Räumung des von Flüchtlingen besetzten Oranienplatzes haben wollte, ließ ihn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auflaufen.

Zwischen Henkel und Müller ist der Abstand ohnehin erheblich größer geworden, auch und gerade, was Umgangsformen und Vertrauen anbelangt. Gerade deshalb beklagt sich in der Union jetzt niemand über den Vertrauensbruch. Ganz kühl heißt es bloß, nach Müllers Kehrtwende müsse er nun sagen, wie er sich den Aufsichtsrat vorstelle.

Wirtschaft lobt Müllers Kehrtwende, FDP übt Kritik

Michael Müller will im Aufsichtsrat nun doch an oberster Stelle stehen - und erntet Lob dafür aus der Wirtschaft.
Michael Müller will im Aufsichtsrat nun doch an oberster Stelle stehen - und erntet Lob dafür aus der Wirtschaft.

© dpa/Britta Pedersen

Der Verband Berliner Kaufleute und Industrieller zollte dem Regierenden Bürgermeister Respekt. „Bravo, Herr Müller!“, erklärte Präsident Markus Voigt. Er beweise Mut und ducke sich nicht weg. Sein Lob verbindet der Verbandschef aber auch mit Ermahnungen: Müller sei angetreten, um Berlin fit zu machen für die Anforderungen der wachsenden Stadt. „Mit einiger Verzögerung hat er erkannt, dass er diesem Anspruch nicht gerecht werden kann, ohne sich Berlins größtes Infrastrukturprojekt auf den Schreibtisch zu holen und zur Chefsache zu machen.“

Ein verantwortlicher Politiker solle „über die nächste Umfrage hinausdenken und sein Handeln nicht – oder zumindest nicht ausschließlich – an schwankenden Popularitätswerten ausrichten“. Er solle vielmehr „fähig und willens sein, das einmal als richtig Erkannte mit Überzeugung zu vertreten – zur Not auch gegen aktuelle Stimmungen im Volk“. Man solle Müller die Zeit, die er für diese Entscheidung brauchte, nicht als Wankelmut auslegen. „Ich wünsche ihm im Sinne der Stadt, dass er sich nicht ebenfalls die Finger daran verbrennt.“

"Aus Wowereits Fehlern nichts gelernt"

Die Berliner FDP-Landeschefin Alexandra Thein kritisiert Müllers Sinneswandel als „Hiobsbotschaft“ und erklärt: „Aus den Fehlern seines Vorgängers Wowereit hat Müller nichts gelernt.“ Die Chance, einen Experten an diese Stelle zu setzen, „der auf Erfolge bei der Beaufsichtigung anderer großer Infrastrukturprojekte verweisen kann und das BER-Projekt damit entscheidend voranbringt“, sei vertan. Nun versuche sich „einmal mehr ein SPD-Politiker als Hobby-Kontrolleur dieses Milliardengrabs“. Es sei erstaunlich, „dass sich jemand, der als Bausenator mit der Verkehrslenkung Berlin das Management von Straßenbaustellen nicht in den Griff bekommen hat, für diverse Kostenexplosionen bei Bauprojekten mitverantwortlich ist und den Ausbau des Zentralen Omnibusbahnhofes verschlafen hat, als geeignet ansieht, ein solches Großprojekt zu beaufsichtigen“.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält Müllers Entscheidung für nachvollziehbar. „Das wird funktionieren.“  Er habe zu Müller ein gutes Verhältnis, man sei sich einig, dass die zügige Fertigstellung des Flughafens Vorrang hat. Auch das Bundesverkehrsministerium „unterstützt die Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters, im Aufsichtsrat den Vorsitz zu übernehmen“, sagte ein Sprecher.

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