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Berlin: Chemikerin Christine Wedler

„Frauenpower“, das scheint trotz der WM-Euphorie ein Thema der Zeit. Die schlanke dunkelhaarige, sachlich argumentierende und zielstrebige Chemikerin, die mir stolz ihre jüngst bezogene, laborgespickte Etage im neuen Zentrum für nachhaltige Technologien in Adlershof zeigt, ist hierfür ein lebender Beleg.

„Frauenpower“, das scheint trotz der WM-Euphorie ein Thema der Zeit. Die schlanke dunkelhaarige, sachlich argumentierende und zielstrebige Chemikerin, die mir stolz ihre jüngst bezogene, laborgespickte Etage im neuen Zentrum für nachhaltige Technologien in Adlershof zeigt, ist hierfür ein lebender Beleg. Kräftig rudern mussten sie und ihr Partner in wirren Jahren nach der Wende.

Auf dem Dorf im Harz ist sie mit drei Geschwistern und einem Vater, der Biologe und Pflanzenzüchter war, aufgewachsen. Mit 14 Jahren ging es ins Internat nach Wernigerode. „Da ist man groß und kann aus dem Haus“, sagt sie. Chemikerin mit Diplom der Humboldt-Uni war sie mit 23. Dann die erste Stelle in Adlershof am Zentralinstitut für organische Chemie der DDR. Insgesamt 750 Wissenschaftler arbeiteten dort damals in Berlin, Rostock und Leipzig. Dass jeder Absolvent auch eine Arbeitsstelle bekam, erwähnt sie, ohne „ostalgisch“ wirken zu wollen. Promoviert hat sie dann 1980.

An die heruntergekommenen kleinen Wohnungen – für 25 Mark Miete! – erinnert sie sich, in denen sie mit ihrem damaligen Mann und ihren zwei Söhnen gelebt hat. Nach der Wende kamen sie in wahres Wildwasser. Erst die Auflösung aller alten Institute, die Neuordnung der Wissenschaftslandschaft nach Vorstellung des Wissenschaftsrates in Zentren, die allen drei Berliner Unis zugeordnet werden sollten. Dann, 1994, die Gründung des Instituts für Angewandte Chemie mit einem Direktor aus dem Westen.

Mit dem Akzent auf angewandte Forschung mussten mehr Projekte durch Drittmittel finanziert werden. „Frohgemut angefangen und viel publiziert“ hat sie bis Ende 1996. Dann beschließt der Berliner Senat den Ausstieg aus dem Institut. Die Folge: Halbes Budget und viele Kündigungen. Sie und ihr Partner wollen das nicht akzeptieren. Sie werden gekündigt, sind neun Monate arbeitslos und suchen Geld für einen Neuanfang. Beim EU-Strukturfonds werden sie – dank der wissenschaftlichen Reputation des Professors Schick mit dem Motto „Qualifizierung“ fündig: Fünf Millionen Mark jährlich bis 2000. Das Thema: Entwicklung von Medikamenten-Substanzen für die Pharmaindustrie. Das ist auch das Geschäft der ASCA GmbH (Angewandte Synthesechemie in Adlershof), die sie Ende 2000 mit 14 Mitarbeitern gestartet haben – ohne fremde Geldgeber. Heute machen sie mit 30 Mitarbeitern 3,1 Millionen Euro Umsatz und schreiben seit dem Start schwarze Zahlen. Sie wollen unbedingt „Herren“ ihrer Firma und ihrer Entscheidungen bleiben und deshalb nur in kleinen Schritten expandieren.

„Wer gutes Geld verdient“, meint sie, „lebt im Westen besser.“ Sie mag Reisen und Rotwein und ihre neue Eigentumswohnung in Weißensee. Ihren Erfolg wird sie verteidigen. Nach einem Überfall in Spanien hat sie Karate begonnen. Gegen das schlechte Erlebnis wollte sie etwas tun. Die Chemie als Unternehmerin stimmt.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels.

Christine Wedler (56).

Die promovierte

Chemikerin ist

geschäftsführende

Gesellschafterin der ASCA GmbH (Angewandte Synthesechemie Adlershof).

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