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Berlin: Chomii klingt wie ein Duett stimmbrüchiger Schafsböcke - die Künstlerin Arjopa hat trotzdem eine CD gemacht

Schnief, schnief! Das Geräusch auf der CD klingt, als ziehe jemand beim Heulen seinen eigenen Rotz in der Nase hoch.

Schnief, schnief! Das Geräusch auf der CD klingt, als ziehe jemand beim Heulen seinen eigenen Rotz in der Nase hoch. Laut Anleitung ist es aber einer anderen, äußerst wichtigen Tätigkeit zuzuordnen - der "Schamanischen Nasenreinigung". Diese funktioniert folgendermaßen: "Stehen Sie aufrecht und atmen Sie in kurzen, kräftigen Stößen - als schnäuzten Sie in ein Taschentuch - durch die Nase aus. Bewegen Sie dabei den Oberkörper und die Arme mit." Hört sich einfach an. Und da Schamanen bekanntlich sehr, sehr alt werden, scheint es auch nützlich zu sein.

Die Autorin der CD sieht genauso schrill aus, wie es das Produkt aus dem Frankfurter Verlag Zweitausendeins vermuten läßt. Sie trägt einen Deel - ein selbst genähtes Mantelkleid aus dunklem Stoff. Dazu baumeln an ihrem Körper turkmenische Ohrringe, mongolische Ringe und keltische Messingarmreifen. Im Haar stecken Dreizacken.

Heisere Elche

Die Rauhlederstiefel sind an den Spitzen nach oben gebogen. "Das ist notwendig, weil die Erde heilig ist. Sie darf mit den Schuhen nicht verletzt werden", erläutert die Berliner Sängerin, die sich mit Künstlernamen Arjopa nennt und gelegentlich Konzerte und Seminare im mongolischen Obertonsingen gibt. Das heißt in der Fachsprache "Choomii" und klingt ungefähr so, als gurgelten ein heiserer Elch und ein stimmbrüchiger Schafbock im Duett.

Arjopa preist die Wirkung dieser Musik in den höchsten Tönen. "Sie entspannt", erklärt sie. "Das Schwingen ist beruhigend. Manche Leute denken, ich hätte mir Metallplättchen in die Kehle implantieren lassen." Hat sie aber nicht. Stattdessen lange geübt und diverse Choomii-Meister getroffen und gelernt, ihre Technik immer weiter zu perfektionieren.

Die richtige Technik sei wichtig, damit der Stimmapparat keinen Schaden nimmt, sagt Arjopa: Durch besondere Zungen- und Kehlstellungen würden nicht nur Mund- und Rachenhöhle als Resonanzraum genutzt, sondern auch Nasen-, Stirn- und Augenhöhlen. Irgendwie schwingt die ganze Person und verwandelt sich dabei in eine Art Mongolian Harmonist. Wer möchte, kann nach Schamanenart die Nase reinigen - siehe oben. Schnief, schnief.

Zu Arjopas Grundkurs in Choomii gehören Übungen wie die "Teddybärstimme", "Lippenploppen" und die "Obertonglocke". Sie scheut sich nicht, solche Töne auch im Café vorzutragen. Die Leute an den anderen Tischen gucken immer wieder verwundert zu uns herüber.

Doch die Künstlerin läßt sich nicht beirren. Selbstsicher erklärt sie ihr Lehrkonzept. Die CD sei extra für Westeuropäer entworfen worden, weil die immer nach den Hintergründen fragen, statt wie Asiaten einfach den Lehrer zu imitieren. Nein, Mongolisch spreche sie nicht, aber sie sei 1996 mal dort gewesen. In diesem kargen Land wird Choomii zu Kultzwecken und zur Verständigung untereinander benutzt.

Pilgerin des Klangs

Da die Mongolen seit Anfang der Neunziger Jahre frei reisen dürfen, kommt ihr prägnanter Gesang jetzt auch in die europäischen Metropolen. In Amsterdam, London und Berlin habe sie verschiedene Musiker getroffen und von ihnen gelernt, erzählt die ausgebildete Altistin. Der Künstlername Arjopa bedeutet "Pilger" und steht für die Personen, die von einem Tempel zum anderen ziehen und geistiges Wissen austauschen. "Du bist eine richtige Arjopa des Klangs", soll ihr ein mongolischer Freund gesagt haben.

Jetzt demonstriert Arjopa, wie man mit Hilfe von Vokalketten Obertöne erzeugt. "Jui-ui-jui-ui." Die anderen Gäste schauen immer noch ängstlich. Vermutlich fürchten sie, dass demnächst ihre Gläser zerspringen. "Obertöne zu erzeugen kann man an einem Wochenende lernen", sagt die Künstlerin unbeirrt. Um diese Fähigkeit zu perfektionieren, müssten die Schüler allerdings ein halbes Jahr lang täglich üben.

Auf der CD sind dafür einige Anregungen enthalten. Zum Beispiel das "Adlerflugtoning": "Stehen Sie aufrecht, breiten Sie die Arme aus und bewegen Sie den Oberkörper in Achten. Nun singen Sie im Wechsel immer wieder a-o-a-o..., bis alle Atemluft verbraucht ist." Wer als erster abhebt und wie ein Vogel durch die Luft schwebt, hat gewonnen.Die CD "Choomii - das mongolische Obertonsingen" kostet 20 Mark und ist bei Zweitausendeins, Postfach 610 637, 60 348 Frankfurt am Main erschienen. In Berlin gibt es einen Laden in der Kantstraße 41.

Josefine Janert

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