zum Hauptinhalt

Christopher Street Day: Die Regenbogen-Party - und ein Eklat

Hunderttausende feiern beim CSD – und demonstrieren gegen Diskriminierung. Am Abend gibt es einen Eklat: Die bekannte Gender-Theoretikerin Judith Butler lehnt den Zivilcourage-Preis der Parade ab.

Es sollte einer der Höhepunkte des diesjährigen Christopher Street Days werden – und geriet zu einem kleinen Eklat: Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler weigerte sich am Samstagabend auf der großen Bühne vor dem Brandenburger Tor, den ihr zugedachten Zivilcouragepreis entgegenzunehmen. Ihre Begründung: Die Berliner Veranstaltung sei „zu kommerziell und oberflächlich“. Zuvor hatte sich die linke Theoretikerin, die an der Universität im kalifornischen Berkeley lehrt, noch die Laudatio der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast angehört.

Die Veranstalter reagierten überrascht, zumal Butler offenbar im Vorfeld nicht zu erkennen gegeben hatte, dass sie dem CSD kritisch gegenüberstehe. Am Nachmittag hatten rund 600 000 Menschen am 32. Umzug des Christopher Street Days teilgenommen und für die Rechte von Lesben, Schwulen, Trans- und Intersexuellen demonstriert. Bei der Abschlusskundgebung machte sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für mehr Toleranz stark. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hielt eine Laudatio auf Martin Dannecker – der Sexualwissenschaftler sollte ebenfalls mit dem Zivilcouragepreis ausgezeichnet werden. Und er nahm an.

Von einem Eklat wollten die CSD-Veranstalter nicht sprechen. „Wir waren zwar überrascht, aber das war eben Judith Butler, wie sie leibt und lebt“, sagte Sprecherin Claudia Rische. „Sie schwimmt gerne gegen den Strom.“ Man werde ihr die Nichtannahme des Preises nicht übel nehmen, sondern das Gespräch suchen. Vielleicht sei Butler wegen des bunten und lauten Paraden-Rummels nicht ganz klar gewesen, dass der CSD auch in Berlin sehr wohl klare Inhalte und Forderungen vertrete und diese auch im Vorfeld thematisiert worden seien. Die berühmte US-Philosophin sei erst am Freitag in Berlin gelandet und habe dann laufend Termine wahrgenommen, unter anderem bei einer Veranstaltung an der Volksbühne. „Wir hatten keine Zeit, uns ausführlich mit ihr zu unterhalten.“

Der CSD geht zurück auf den Sommer 1969, als sich am 28. Juni New Yorker Schwule und Lesben erstmals gegen Schikanen der Polizei wehrten. Daran erinnerten am Sonnabend die Linken-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Luc Jochimsen, und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke), als sie am Homosexuellen-Mahnmal im Tiergarten Blumen ablegten. Am Mahnmal erklärte Stadtführer Thomas Williamson Familie Sauer aus Berlin, dass in Dutzenden Ländern der Welt auf Homo- und Bisexualität Gefängnis- oder Todesstrafe steht. Ole Sauer ist Unternehmensberater in der Immobilienbranche, und er sagt, Manager, die nach Berlin ziehen, würden sich umso eher outen, je höher ihre Stellung sei. Doch nicht jeder gibt sich zu erkennen, auch nicht im toleranten Berlin. „Ich arbeite im Management in der Baubranche“, sagt eine 37-Jährige, die anonym bleiben will, „da müsste ich mir viel von Kollegen anhören.“ Annette Kögel/Sebastian Leber

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false