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Berlin: Chronisches Leiden

Die marode Staatsoper Unter den Linden wird saniert. Sehen wird man es kaum, es geht um die Sicherheit

Glanz und Elend des Berliner Kulturlebens liegen dicht bei einander, erst recht bei einem seiner teuersten Stücke, der Staatsoper Unter den Linden. Die älteste der drei Schwestern unter dem Dach der Opernstiftung verfügt über Geist und weltweite Ausstrahlung, doch mit der körperlichen Verfassung steht es nicht zum besten.

Aus Symptomen ist längst ein chronisches Leiden geworden, das auch Laien nicht mehr verborgen bleibt: Hubpodien mussten außer Betrieb genommen werden, mehrmals kam es zu Pannen bei laufender Vorstellung. Dass die Krankheit nicht mehr verschleppt, sondern endlich mit der Behandlung begonnen werden soll, nimmt Klaus Wichmann, der technische Direktor des Hauses, mit Erleichterung auf. „So weit waren wir noch nie“, kommentiert er die Entscheidung des Senats, einen Teil der zwischen 113 und 121 Millionen Euro geschätzten Sanierungskosten zu übernehmen und auch mit dem Bund in Verhandlungen über die Finanzierung dieser Summe zu treten.

Auf Rundgang durch das Haus: Wichmann sagt, dass die Zuschauer kaum etwas merken werden von der Sanierung. Es geht nicht um Glanz, sondern darum, die Spielfähigkeit und die Sicherheit zu gewährleisten. Ganze 80 Millionen Euro der Sanierungssumme sind mit Brandschutztechnik verknüpft. „Imprägnierungen halten nicht ewig“, sagt Wichmann und klopft auf die stoffüberzogenen Spanplatten zwischen Wandelgang und Zuschauerraum. Ins filigrane Dach, das dringend neu gedeckt werden muss, müssen neue Stahlträger eingezogen werden.

Unten bei den Fundamenten, die seit den zwanziger Jahren in Betonwannen ruhen, sagt Wichmann: „Hier kann man Zeitgeschichte hautnah erleben“, und drückt, ganz Fachmann, mit dem Finger in den feuchten Bitumen. Auch einen Abstecher zu den Künstlergarderoben kann sich der technische Direktor nicht verkneifen: „Hier erholen sich unsere Weltstars“ sagt er und öffnet die Tür zu einer zugigen Schultoilette und einem kleinen Zimmer mit dem Mobiliar einer drittklassigen Pension. Ohne Reue wird er auch von seinem eigenen Büro an der Rückseite des Hauses Abschied nehmen. Es soll der verlängerten Hinterbühne weichen – eine der wenigen Baumaßnahmen, die wirklich neue Spielmöglichkeiten eröffnen. Geblendet betritt man dagegen das Zimmer des Intendanten: Mit dem hellen Weiß der Wände, der rot bespannten Decke und seinen funktionalen Ledermöbeln ist es wohl der schönste Raum der Staatsoper.

Für Peter Mussbach, den Mann, der hier arbeitet, ist das Haus mit der Sanierung des technischen Bereichs längst nicht fit für die Zukunft: „Zuschauerraum und Bühne sind eine Einheit; der Zuschauer macht das Theater“, sagt er und fordert noch einmal mehr Komfort für das Publikum. Kosmetik reicht nicht aus, wenn man das Haus fit machen will für jährlich 300 Vorstellungen bei 85 bis 95 Prozent Auslastung. Um doch noch zusätzliche Maßnahmen – etwa die Verbesserung der Akustik durch ein Anheben der Decke – in das Sanierungsprogramm zu integrieren, wofür das Orchester mit internationalen Gratisauftritten zusätzliche Sponsoring-Gelder anwerben will, bleibt wenig Zeit: 2008 soll die Operation beginnen.

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