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Berlin: Club der Gründerväter Seit Kaisers Zeiten

Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller wird 125 Jahre alt – und will jünger werden

Der Aufschwung, der auf die staatliche Einheit folgte, hielt nicht lange an. Erst kam der Gründerboom – und dann der wirtschaftliche Niedergang. Viele Hoffnungen schlugen in Resignation um. Was sich nach den Folgen der Wiedervereinigung anhört, spielte sich bereits vor über hundert Jahren ab, nach der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871. Wir befinden uns im Jahr 1879 – eine Zeit, in der viele Unternehmen aufgeben mussten. Aber auch eine Epoche, in der neue Traditionen entstanden. So gründete sich am 6. Oktober 1879 der Club der Vereinigten Berliner Kaufleute und Industriellen VBKI. Am heutigen Donnerstag feiert er sein 125-jähriges Jubiläum.

„Der Auftrag des VBKI hat sich seit damals wenig geändert“, sagt sein Präsident Klaus von der Heyde. „Der Verein ist Sprachrohr der Wirtschaft und Anwalt der Unternehmer.“ Dennoch sei er keine reine Interessenvertretung. „Der VBKI will seinen Beitrag zu einem humanen Gemeinwesen leisten“, sagt von der Heyde. So prämiert der Verein jährlich eine „Leistungsschule“ und zeichnet Wissenschaftler mit dem Europa-Preis aus.

Neben Traditionstreffen wie dem VBKI-Ball organisiert der Club auch aktuelle Debattenrunden: Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber spricht über die Perspektiven des Luftverkehrs, der deutsche Ebay-Chef Philipp Justus erklärt den Handel im Internet, und Angela Merkel präsentiert ihre Vision für Deutschland. Am vergangenen Donnerstag kamen außerdem über 100 Historiker und interessierte Berliner zu einem Themenabend des VBKI über die „Arisierung“ der deutschen Wirtschaft 1933-45.

Für den Traditionsverein bedeutete der Raub jüdischen Eigentums eine Zäsur. Denn wie die Berliner Wirtschaft insgesamt war auch der VBKI stark durch das Engagement jüdischer Bürger geprägt. Nach 1933 wurden sie vertrieben oder umgebracht. Von knapp 3000 VBKI-Mitgliedern zu Beginn der 30er Jahre blieben im Jahr 1935 nur noch 600. Dabei war die Rolle der Vereinsführung nicht rühmlich: 1933 ersetzte Präsident Flinsch seinen Geschäftsführer Sternberg durch einen SA-Mann. Sternberg wurde später in Auschwitz ermordet.

Nach dem Ende der Nazi-Zeit gründete sich der VBKI neu, 1954 weihte er sein Vereinshaus in der Fasanenstraße ein. Ein Gebäude im Wirtschaftswunderstil: Geschwungenes Vordach, gewundener Treppenaufgang, nierenförmige Deckenverzierung. Das passte in die Zeit, war aber teuer. Nach der Wiedervereinigung baute der VBKI deshalb gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) auf dem alten Grundstück das Ludwig-Erhard-Haus. Für den VBKI ein Glücksfall: Kassiert er doch mehr Pacht für das Grundstück als er Miete an die IHK zahlen muss. Die IHK ist mit den alten Verträgen unzufrieden. Doch der VBKI kann sich freuen: „Das macht uns zu einer der wenigen Institutionen in der Stadt, die noch Geld ausgeben können“, sagt der VBKI-Vizepräsident und frühere Finanzsenator Peter Kurth.

Seine Schwächen sieht der Verein daher auch weniger in seinen Finanzen als in anderen Bereichen: „Der VBKI ist noch zu stark durch West-Berlin und durch Männer geprägt“, sagt Kurth. Gerade einmal sechs Prozent der rund 1000 Mitglieder sind Frauen. Ein „Ladies Day“ soll das nun ändern – zum Beispiel mit einem Stilkundekurs über moderne Umgangsformen. Der Titel: „Ladies First – ist das noch zeitgemäß?“

Die Frage, was zeitgemäß ist, muss sich der VBKI zu seinem 125. Geburtstag sicherlich auch selbst gefallen lassen. Aber immerhin: Mit einem Juniorenkreis will er nun auch jüngere Generationen ansprechen. Gut 170 Mitglieder zählt der Nachwuchsclub bereits. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Netzwerke eben besonders nützlich. Das wussten schon die Gründerväter von 1879.

1879 Über 300 Berliner Unternehmen gründen den VBKI.

1933 Der Verein wird gleichgeschaltet und „arisiert“.

1948 Nach dem Krieg gründet sich der VBKI in West-Berlin neu.

1954 Das alte VBKI-Haus in der Fasanenstraße wird eingeweiht.

1998 Der VBKI bezieht das Ludwig-Erhard-Haus.

1999 Zum neuen Präsidenten wird Klaus von der Heyde gewählt, Geschäftsführer wird Udo Marin.

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