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Cluster Energietechnik: Wind auf dem Land, Wissen in der Stadt

Berlin und Brandenburg ergänzen sich im Cluster Energietechnik und wären gerne eine Modellregion der Energiewende.

Schöner kann man es nicht sagen. „Berlin und Brandenburg stecken voller Energie“, schreiben die Wirtschaftsförderer der Technologiestiftung Berlin (TSB) über das Energie-Cluster Berlin-Brandenburg. Das liegt gewissermaßen in der Natur der Aufgabenverteilung zwischen zwei Ländern: In der Großstadt gibt es große Energieversorger (Vattenfall und Gasag) und Industriebetriebe (Siemens baut Gasturbinen, MAN Turbomaschinen) sowie Wissenschaftseinrichtungen, die sich mit dem Thema befassen. Und das brandenburgische (Um-)Land hat Flächen für alle möglichen Dinge, die mit dem Thema zu tun haben. So ist Brandenburg nach Niedersachsen das Bundesland mit dem meisten Windstrom.

Mehr als 60 Wirtschaftszweige umfasst eine Übersicht aller Branchen und Gewerke, die zum Berlin-brandenburgischen Cluster Energietechnik gehören. Da gibt es die Hersteller von Isolierteilen aus Keramik, den Anbau von einjährigen Pflanzen, den Kabelnetzleitungstiefbau oder auch Büros für Innenarchitektur. Alles in allem also ein weites Feld, das die Wirtschaftspolitiker zu beackern suchen.

Seit vergangenen November können sie sich dabei auf einen gut 100-seitigen Masterplan stützen, der das Thema strukturiert und Handlungsempfehlungen für die Politik entwickelt. Die Clustermanager in Potsdam und Berlin haben fünf Bereiche gebildet: 1. Solarenergie mit den Unterthemen Photovoltaik, Solarthermie und Solares Kühlen. 2. Turbomaschinen und Kraftwerkstechnik mit stationären Gasturbinen und Dampfturbinen sowie Kompressoren. 3. Energienetze und -speicher, wozu unter anderem Wasserstoff und Brennstoffzellen sowie die Ladeinfrastruktur für Elektroautos gehören. 4. Energieeffizienztechnologien in Gebäuden, für Geräte und industrielle Prozesse. 5. Wind- und Bioenergie mit Biokraftstoffen und Biomasse. Alle Handlungsfelder geben Aufschluss über Ambition und Potenzial eines Themas, das seit Fukushima in aller Munde ist. „Die Vision des Clusters Energietechnik ist es, eine führende Modellregion der Energiewende zu werden.“ So hätten das die Berliner gern. Den großen Einspruch sollen diverse Projekte einlösen helfen.

So wird im deutsch-polnischen Joint-Venture „Wärme aus Biomasse“ die Verwertung von Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft untersucht, die keinen Nähr-, aber einen Heizwert haben. „Dazu gehören Heu, Stroh, Schalen oder Grünschnitt“, heißt es im Masterplan. Das Innovationscluster MRO (für Maintenance, Repair and Overhaul) will bei Gütern und Produkten mit hohen Investitionskosten und langer Lebensdauer (zum Beispiel Turbinen) die Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten optimieren. Beteiligt sind 14 Firmen und sieben Forschungsinstitute. Ende Mai gab es eine Konferenz zur MRO-Thematik mit mehr als 150 Experten aus sechs Ländern aus den Bereichen Energie und Luftfahrt im Fraunhofer Spreepalais.

Überhaupt sind Konferenzen ein herausragendes Instrument der Clusterpolitik. Mitte April veranstaltete die Technologiestiftung Berlin den inzwischen 4. Expertendialog zum Thema „Gasinfrastrukturen für die Zukunft“. Dabei ging es unter anderem um technologische Themen aus dem Bereich des Netzbetriebs und der Gasspeicherung im Berliner Untergrundspeicher und um die in der Region aufgebauten Kompetenzen und zukünftigen Bedarfe bei der Herstellung und Verwendung von Wasserstoff. Kann Wasserstoff in die bestehenden Gasnetze eingespeist werden, welche technischen Grenzen gibt es, wie groß ist die Akzeptanz der Verbraucher? Die Diskussion wird selbstverständlich fortgesetzt.

Ein anderes Clusterprojekt befasst sich mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Versorgung alter Gebäude. Gewissermaßen Untersuchungsgegenstand ist ein denkmalgeschütztes Berliner Ärztehaus, das solar gekühlt werden soll. Wenn das funktioniert, ist die Übertragbarkeit auf Bürogebäude, Hotels und Krankenhäuser geplant.

Von einer „international einzigartigen Partnerschaft“ ist im Masterplan die Rede, wenn es um das Kompetenzzentrum Dünnschicht- und Nanotechnologien für Photovoltaik geht. Dabei geht es um Technologien, die mit den chinesischen Wettbewerbern mithalten können. Das Projekt mit dem Namen PVComB ist im Wissenschaftspark Adlershof angesiedelt und gilt als Modell für die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Beteiligt sind unter anderem das Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie, die TU Berlin, First Solar, Centrotherm Photovoltaics und Masdar. „Am PVComB werden in Forschungsprojekten Dünnschicht-Photovoltaiktechnologien und -produkte entwickelt sowie hochqualifizierte Fachkräfte ausgebildet“, heißt es im Masterplan.

In Hohen Neuendorf im Norden Berlins wurde eine Grundschule als „Plus-Energie-Gebäude“ konzipiert – die Schule stellt also im Verlauf des Jahres mehr Energie zur Verfügung, als sie selbst braucht. Unter anderem deshalb, weil es ein Holzpellets-Blockheizkraftwerk und eine Photovoltaikanlage gibt. In einem anderen Projekt soll auf dem 460 Hektar umfassenden Areal des Standorts Adlershof der Energieverbrauch um 30 Prozent reduziert werden. In dem Bereich Netze und Speicher gibt es in der Uckermark eines der weltweit ersten Hybridkraftwerke, das Strom aus Windkraft, Biomasse und Wasserstoff erzeugt. Und in der Gemeinde Forst hat die Gasag in 1700 Haushalten intelligente Zähler (Smart Meter) für den Gas-, Wasser- und Wärmeverbrauch installiert. Dabei geht es um „Praxiserkenntnisse für den Aufbau von Smart-Metering-Lösungen in größeren Städten und Ballungsräumen“.

Alles in allem befassen sich in Berlin und Brandenburg rund 4800 Unternehmen mit fast 50 000 Beschäftigten und mehr als 30 Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen mit Themen und Geschäften rund um die Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung, also mit Kraftwerkstechnik, Energieeffizienztechnologien, Energienetzen und der Elektromobilität. Dazu gehören unter anderem BAE Batterien GmbH, die Deutschlandzentrale des französischen Konzerns Total, die Cyano Biotech GmbH, die in Adlershof Sprit aus Blaualgen gewinnt, die ebenfalls in Adlershof ansässige FMB Feinwerk- und Messtechnik oder auch die Greateyes GmbH, die Spezialkameras zum Test chinesischer Solarzellen produziert. Energietechnik ist eben ein weites Feld.

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