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Berlin: Cool bleiben unter Exzellenzen

Ein neues Etikette-Bewusstsein hat sich durchgesetzt

Von Elisabeth Binder

Lange Zeit konnte Berlin es sich leisten, als Ort zu gelten, an dem gute und gefällige Umgangsformen keine Hauptrolle spielten. Vorbei. Der Prozess der Hauptstadtwerdung hat das Problembewusstsein in dieser Hinsicht geändert. So mancher Taxifahrer oder Bürokrat mag noch stieselig durch die Gegend grummeln, dass es einem zartbesaiteten Rheinländer das Herz zerreißt. Wer am gesellschaftlichen Leben aktiv teilnimmt, kann sich das nicht leisten. Begibt man sich unter Würdenträger, muss man zudem überall mit Stolperfallen rechnen.

Im neuen Berlin häufen sich die Anlässe, bei denen man Exzellenzen, Eminenzen und Magnifizenzen trifft. Wen redet man wie an? Reaktionen auf unser Benimm-Stück von gestern zeigen, dass man sich in kniffeligen Fragen am besten an die Klassiker hält.

Die frühen Bonner hatten es bessser. Sie hatten mit Erica Pappritz eine Instanz, die bis ins Detail erklärte, welche Formalitäten wo angezeigt waren. Wer „Das Buch der Etikette“ auswendig konnte, war für jede Eventualität vorbereitet. So vornehm war Adenauers Benimm-Beraterin, dass sie in den Archiven gelegentlich mit einem „von“ zwischen Vor- und Zun aufgeführt wird. Busso von Alvensleben, der oberste Protokollchef des Auswärtigen Amtes, trägt souverän sein ererbtes „von“ im Namen. Aber von ihm gibt es leider noch kein Buch zum Thema, so dass sein Rat nur den Spitzen des Staates zur Verfügung steht.

Diplomaten trifft man auf vielen Veranstaltungen, aber die Gelegenheit, den Papst zu treffen, hat man auch in Hauptstadtzeiten eher selten. Der letzte Besuch liegt schon einige Jahre zurück. Katholiken reden ihn mit „Heiliger Vater“ an. Alle anderen, ob sie nun Protestanten oder Atheisten sind, sagen „Eure Heiligkeit“.

„Kirchliche Würdenträger haben Anspruch auf die ehrende Höflichkeit eines jeden kultivierten Menschen, gleich welchen Glaubens“, heißt es dazu in einem Standardwerk aus der Pappritz-Ära. Ein Hinweis, der in einer Stadt wie Berlin mit ihren Honoratioren sehr unterschiedlicher Hintergründe an Aktualität eher zugenommen hat. In der frommen Adenauer-Ära mag vieles noch selbstverständlich gewesen sein, was man inzwischen in die Erinnerung zurückholen muss. Korrekte Formen einzuhalten, heißt ja nicht, dass man sich mit Leib und Seele einer Instanz übereignen muss. Über Inhalte lässt sich umso besser streiten, je mehr man darauf achtet, die gute Form zu wahren. Bischöfe sind danach für gläubige und ungläubige Menschen aller Provenienzen „Exzellenzen“. Die durchaus übliche Anrede ist aber „Herr Bischof“. Wobei man richtig gute Protestanten daran erkennen kann, ob sie den feinen Unterschied zum Herrn Landesbischof machen, dann wissen sie, dass der Angesprochene der lutherischen und nicht der unierten Kirche angehört. Katholische Bischöfe reifen erst mit der Kardinalswürde zur „Eminenz“. Auch der griechisch-orthodoxe Metropolit ist eine „Eminenz“.

Einen Erzbischof immerhin muss man heute nicht mehr mit „Erzbischöfliche Gnaden“ anreden. Ein schlichtes „Herr Erzbischof“ reicht. Dagegen wird, wer den alten Titel „Graf“ im Namen trägt, auch als Graf Sowieso angesprochen. Den „Herrn Grafen“ gibt es vor allem auf der Opernbühne. Diese Anrede gilt nach alter Sitte „nur fürs Personal“.

Dagegen macht man nichts falsch, wenn man zum Botschafter „Herr Botschafter“ sagt, zum Kanzler „Herr Bundeskanzler“ oder zum Bundespräsidenten „Herr Bundespräsident“. Beim Ministerialrat läuft man allerdings unter Umständen Gefahr, ironisch zu wirken. Mit einem schlichten „Herr Sowieso“ ist man auf der sicheren Seite.

Wer morgen an der Gala mit Königin Silvia teilnimmt, wird sich besonders dafür interessieren, wie Monarchen angesprochen werden. Nach Pappritz reicht es, „Majestät“ zu sagen. Wer es ganz genau wissen will, kann sich bei der Botschaft des jeweiligen Landes erkundigen. Die schwedische Königin ist „Ihre Majestät“, dafür steht auch das kurze I.M. auf den Einladungskarten. Tochter Viktoria, derzeit die berühmteste Praktikantin der Stadt, wird mit „Kronprinzessin“ richtig angeredet.

Universitätsrektoren gebührt die Anrede „Magnifizenz“. Es kann aber nicht schaden, wenn man als Student auch weiß, wie man einen Dekan korrekt anreden würde. „Spektabilität“ ist das Zauberwort, aber es bleibt im Alltag wohl in aller Regel dem Schriftverkehr vorbehalten, wenn überhaupt.

Trotzdem: Wenn es um Etikette geht, sollte man immer auf alles vorbereitet sein. Sonst steht man am Ende völlig unverhofft einem Würdenträger gegenüber – und weiß gar nicht, was man sagen soll.

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