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Berlin: Crossair-Absturz: Ermittlungen gegen Fluggesellschaft

Schweizer Bundesanwaltschaft überprüft Verantwortung für das Unglück auf dem Weg von Berlin nach Zürich – Untersuchungsbericht zur Ursache veröffentlicht

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen sind Pilotenfehler als Ursache für den Absturz eines Berlin-Fluges identifiziert worden. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat am Montagabend ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und schweren Körperverletzung gegen Verantwortliche der damaligen Fluggesellschaft Crossair eingeleitet, sagte deren Sprecher Hansjürg Mark Wiedmer dem Tagesspiegel. Ursache für den Unfall des in Tegel gestarteten Avroliners am 24. November 2001 ist menschliches Versagen, so der gestern veröffentlichte Untersuchungsbericht. 24 der 33 Passagiere und Besatzungsmitglieder waren bei dem Unglück bei Zürich getötet worden.

Die Aufgabenverteilung der Besatzung war „nicht zweckmäßig“, stellt das Schweizer Büro für Flugunfalluntersuchungen fest. Warum der 57-jährige Flugkapitän (19555 Flugstunden) ohne Bodensicht die vorgeschriebene Mindestflughöhe unterschritt, konnte nicht geklärt werden. Offen ist ebenso, warum der 25 Jahre alte, unerfahrene Co-Pilot (490 Flugstunden) nicht eingriff. Fest steht dagegen, dass starke Übermüdung das Entscheidungsvermögen des Kommandanten beeinträchtigte. Der Flugkapitän hatte am Vortag über 15 Einsatzstunden absolviert. Nach knapp elfstündiger Ruhepause saß er am Unglückstag schon wieder mehr als 13 Stunden im Cockpit, weil er jeweils vor Dienstbeginn noch seinem Nebenjob als Ausbilder einer Flugschule nachgegangen war.

Der Avroliner prallte gegen einen in der Pilotenkarte nicht eingezeichneten Höhenzug. Die Passagiere wurden völlig überrascht. „Plötzlich gab es einen Schlag“, wird einer der Überlebenden zitiert. Er bemerkte „auf der rechten Seite des Flugzeuges einen Feuerball. Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, dass alles normal verlaufe. Dann rumpelte es wie auf der Achterbahn. Plötzlich war alles still“. Ein anderer Reisender, der sechs Reihen weiter vorn gesessen hatte, berichtete: „Dann krachte es plötzlich und vom Bug kam rasend schnell ein Feuerball durch die Kabine auf uns zu geschossen.“ Lediglich das abgerissene Heck blieb von den Flammen verschont.

Die beiden Piloten kamen bei dem Absturz in Zürich ums Leben. Der Bericht gibt Crossair eine Mitschuld. „Die Verantwortlichen des Flugbetriebsunternehmens haben über lange Zeit die fliegerische Leistung des Kommandanten nicht zutreffend bewertet“, heißt es in dem Untersuchungsbericht. „Dort, wo Schwächen erkennbar waren, ergriffen sie keine zweckmäßigen Maßnahmen.“

Die Fluggesellschaft Swiss, in der die Crossair aufgegangen ist, erklärte, sie sei an einer „lückenlosen Aufklärung“ interessiert. Bereits kurz nach dem Unglück habe man unter anderem ein neu überarbeitetes Flugsicherheitsprogramm eingeführt. Die Angehörigen der Opfer und die Verletzten hätten je rund 209 000 Franken als Vorauszahlung erhalten. Mit einem Teil der Betroffenen seien abschließende Vereinbarungen getroffen oder kurz vor dem Abschluss. In zehn Fällen haben Angehörige Klagen eingeleitet.

Nach den europäischen Bestimmungen müssen Linienpiloten ihren Flugschein alle sechs Monate durch eine Prüfung im Flugsimulator erneuern. Abgenommen wird sie durch Kollegen der eigenen Airline mit spezieller Lizenz des Luftfahrtbundesamtes. Ein System, das sich in der Regel bewährt, so Markus Kirschneck von der Pilotenvereinigung Cockpit. Ein möglicher Interessenskonflikt lasse sich aber nur vermeiden, wenn die jeweilige Luftverkehrsgesellschaft über eine „ausgeprägte betriebsinterne Sicherheitskultur“ verfüge. „Sonst sind einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.“

Rainer W. During

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