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Berlin: Curry rot-weiß mit grünen Tupfen

Renate Künast eröffnet eine Würstchenbude – aber nur ausnahmsweise, weil oben drauf das Bio-Siegel prangt

Es ist vermutlich eine Neuheit in der deutschen Politikgeschichte, dass eine Ministerin offiziell zur Eröffnung einer Wurstbude schreitet, zumal, wenn diese Wurstbude seit Jahren existiert und nur ihr Konzept geändert hat. Doch in diesem Fall prangt nun oben am Dach das Bio-Siegel, das Renate Künast ja praktisch selbst erfunden hat, und eine solche Gelegenheit lässt sie sich nicht entgehen: ein Höhepunkt des ökologischen Populismus, der zahllose Pressevertreter anlockte, ARD, ZDF und CNN eingeschlossen. Von Bismarck habe sie gelernt, scherzte die Ministerin, dass man bei zwei Dingen niemals zusehen sollte, nämlich beim Gesetzemachen und beim Wurstmachen. Doch da sie nun sogar – ein Härtefall – selbst zuständig sei für die Gesetze übers Wurstmachen, liege ihr umso mehr an der bestmöglichen Qualität.

„Witty´s“ am Wittenbergplatz wurde früher vom Neuland-Fleischer Bachhuber beliefert und trug den Namen dieses Betriebs. Doch dort wollte man den erwünschten Schritt zum zertifizierten Öko-Betrieb nicht mitgehen, und Witty´s-Geschäftsführer Ernst-Hermann Exter entschloss sich deshalb, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis ist der erste deutsche Bioland-Imbiss mit Fleischprodukten kontrolliert ökologischer Herkunft, die von zwei Fleischermeistern durchweg ohne die üblichen Zusatzstoffe wie Phosphate oder Pökelsalz verarbeitet werden. Gegenwärtig gilt die Öko-Zertifizierung für die Würste von Witty´s einschließlich Ketchup und Brötchen, demnächst werden auch Pommes Frites aus Demeter-Rohware angeboten. Bioland-Vorstand Thomas Dosch nimmt die Neueröffnung als Beleg für die Tatsache, dass der ökologische Landbau nicht nur die Bedürfnisse gesundheitsbewusster Gourmets, sondern auch die eiliger Gäste nachhaltig befriedigen könne. Dies freilich zum Preis einer kompletten Kantinenmahlzeit: Die Curry mit Pommes kostet in der Grundausführung 4,70 Euro, für die Luxusausführung, komplett rot-weiß, sind 5,20 fällig. Wurst solo: 2,50.

Der Ministerin behagte die Neuerung so sehr, dass sie die goldene Politiker-Regel brach, sich nie beim Essen fotografieren zu lassen. Allerdings kam sie auch zum Privileg eines Porzellantellers in Currypappen-Form, der fürs gemeine Publikum nicht vorgesehen ist. Was den Geschmack angeht, bewahrheitet sich allerdings auch bei dieser Öko-Ware das alte Currywurstgesetz, das besagt, der Zweck der Wurst bestehe darin, eine nahrhafte Unterlage für Curry und Ketchup abzugeben. Der hier verwendete Bio-Ketchup legt sich im Verein mit Paprika und Curry so nachhaltig süß-fruchtig über die Wurst, dass sie ihren vermutlich vorhandenen Charakter zügig aushaucht. Der Darm ist zart und wird angesichts des am Wittenbergplatz üblichen Umsatzes sicher nie die leidigen harten Schrumpelkanten vom langen Liegen im Fett ausbilden, und auch die Wurstmasse innen tendiert eher ins Weiche.

Die ewig ungelöste Berliner Kultfrage, wo es denn nun die beste Curry gebe, darf auch weiter gestellt und vielstimmig beantwortet werden: Die harten Fans von Konnopke, Krasselt, Kudamm 195 und hundert anderen Buden werden sicher um Gegenargumente nicht verlegen sein. Ministerin Künast allerdings wird ihren Fahrer garantiert öfter am Wittenbergplatz halten lassen. Schon, weil politisch korrekte Currywürste so selten sind in Berlin.

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