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Berlin: Da bewegt sich nichts mehr – fast nichts WILHELMSTRASSE CHAUSSEESTRASSE SPREEPARK

Verwaiste Büros, von Zäunen umschlossene Grundstücke: In Berlin gibt es überall Brachflächen. Ihre Eigner mussten Insolvenz anmelden – oder haben die Pläne für Neubauten noch in der Tasche. Eine ungewöhnliche Berlin-Besichtigung

Was verlassen wird, geht in Berlin ganz schnell zu Bruch: Keine einzige Scheibe ist in den Schalterhäuschen heil geblieben, der Pavillon vor dem „Piccadilly Circus“ ist abgebrannt, Schmierereien überziehen die Kinderbühne. Und trotzdem fällt es den Spaziergängern im Plänterwald nicht schwer, sich beim Anblick auf die erstarrten Karussellpferde in die alten Zeiten hineinzuträumen, sich an das Kindergelächter zu erinnern, die Sirenen, das Gebimmel…

Schnitt. Seit Norbert Witte vor zwei Jahren mit dem „Spreepark“ Pleite gegangen ist und sich samt Familie und Geisterbahn nach Peru abgesetzt hat, dreht sich das Riesenrad mit seinen bunten Gondeln höchstens im Wind. Witte sitzt inzwischen wegen Kokainschmuggels in Untersuchungshaft, einen neuen Betreiber für den Vergnügungspark inmitten des Landschaftsschutzgebietes gibt es bislang nicht. „Das wird sich hinziehen“, sagt Insolvenzverwalter Stefan Schacht. Derzeit werde mit Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) über zusätzliche Parkplätze und Zufahrten verhandelt.

Solche weiten, leeren Flächen findet man in Berlin aber nicht nur im Wald. „Was ist das denn?“, platzt es in der Zimmerstraße aus einem Touristen heraus. Hier, zwischen Checkpoint Charlie und Wilhelmstraße, inmitten unzähliger Neubauten, steht man plötzlich vor einem mit Stacheldraht umzäunten Gelände. Eine Informationstafel würde den Berlin-Besuchern sicherlich weiterhelfen: „Das Grundstück an der Zimmerstraße behält sich der Bund als Reservefläche vor. Die Gebäude des Abspannwerks Buchhändlerhof an der Mauerstraße hat ein Softwareunternehmen gekauft. Es will rund 50 Millionen Euro für den Umbau investieren. Dieses Jahr beginnen die Bauarbeiten innerhalb des Hofes.“

Vielleicht lässt man im Rathaus Mitte auch deshalb solche unkonventionellen Zwischennutzungen zu, weil der Bezirk sich vor Brachen kaum retten kann: Das ehemalige Stadion der Weltjugend etwa eroberten die Hobby-Golfer, Beach-Volleyballer und BMX- Fahrer. Sie müssen sich aber nach einem neuen Gelände umsehen, wenn der Bundesnachrichtendienst umzieht. Als tabu gelten hingegen Grundstücke, bei denen die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind. Nicht alle dieser rund 1600 Flächen liegen aber brach, sagt Petra Reetz von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Oft handelt es sich um Wohnhäuser, bei denen die Mieter von dem Streit gar nichts wissen.“

Die Wende hat aber auch den Westbezirken Brachen en masse beschert, die Liste für Charlottenburg-Wilmersdorf rattert Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) ohne viel Nachdenken herunter: das Gaskraftwerk, das Heizkraftwerk, das Wasserkraftwerk, der Güterbahnhof Halensee… „Von der Bahn bis zum Bund haben alle gleichzeitig Mitte der 90er Jahre ihre Grundstücke auf den Markt geworfen“, sagt Gröhler. Eine sinnvolle Nachnutzung könne es bei einem so großen Angebot nicht geben, zumal die Immobilienpreise längst am Boden lägen. Viel Kopfzerbrechen macht sich Gröhler nicht. „Vielleicht sieht’s in 15 Jahren anders aus.“

Für die Leute vom „Spreepark“ ist das ein schwacher Trost . In den verwaisten Bürogebäuden wurde der Kalender zuletzt am 22. Dezember 2001 umgeschlagen. Aktenordner liegen herum, der Schreibtisch ist mit Papieren übersät: Formulare vom Arbeitsamt.

Als Parkplatz wird die Freifläche Wilhelm- Ecke Leipziger Straße direkt gegenüber dem Bundesfinanzministerium genutzt. Auch dieses Areal gilt als Reservefläche des Bundes. Ursprünglich sollte hier einmal Platz für ein Ministerium sein. Foto: Rückeis

Als das Stadion der Weltjugend abgerissen wurde, sollte hier eine Olympiahalle entstehen. Fehlanzeige. Dann ein Stadtviertel – wieder nichts. Nun wird der Bundesnachrichtendienst erwartet. Bis dahin spielen hier Golfer und andere Hobbysportler. Foto: dpa

Hier dreht nur der Wind das Riesenrad. Der Spreepark Plänterwald ging vor zwei Jahren Pleite. Der Betreiber setzte sich nach Peru ab, nun sitzt er in Untersuchungshaft. Ein neuer Investor für den Vergnügungspark ist noch nicht gefunden. Foto: Q

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