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Berlin: Da freut sich auch kein Dritter

Durch einen Streit ist die Restaurierung des Schoeler-Schlößchens gefährdet

Die Restaurierung eines der ältesten Berliner Gebäude, des barocken Schoeler-Schlößchens an der Wilmersdorfer Wilhelmsaue, droht zu scheitern. Damit steht gleichzeitig der Standort für eine öffentliche Johannes-Rau-Gedenkbibliothek in Frage, in die mehrere tausend Bände aus dem Vermächtnis des früheren Bundespräsidenten eingebracht werden sollten. Ursache ist ein erbitterter Streit unter den Denkmalschutz-Experten. Kontrahenten sind die private Stiftung Denkmalschutz und der Landesdenkmalrat, der das Berliner Landesdenkmalamt fachlich berät.

Der Streit entzündet sich an der Frage, wie mit der nachträglich aufgesetzten Etage des Schoeler-Schlößchens umgegangen werden soll. Sie war 1934/35 gebaut worden, um Platz für ein Heim der Hitler-Jugend zu schaffen. Die Stiftung will sie entfernen, die Genehmigungsbehörde, beraten vom Landesdenkmalrat, will sie erhalten. Beide Seiten berufen sich auf die „Charta von Venedig“ aus dem Jahr 1964, die internationale Standards für den Umgang mit schützenswerten Baudenkmälern setzt und teilweise Vorbild für das Berliner Denkmalschutzrecht ist. Nach der Charta sollen Denkmäler grundsätzlich in dem Zustand konserviert werden, in dem sie sich aktuell befinden.

Keiner der beiden Kontrahenten nimmt diesen Grundsatz im Fall des Schoeler-Schlößchens allerdings wörtlich, denn beide wollen das barocke Walmdach mit Mansarde wieder erstehen lassen. Nach den Plänen der Stiftung wäre das Schoeler-Schlößchen nach der Restaurierung zweigeschossig mit Erdgeschoss und Dachmansarde, nach der Vorstellung des Denkmalrates wäre es dreigeschossig (zwei Etagen plus Mansarde). Die Stiftung, die das Projekt aus privaten Mitteln finanziert, argumentiert, das Obergeschoss aus dem Jahr 1934 erfülle nicht die ebenfalls in der Denkmalschutzcharta festgelegten Kriterien der architektonischen Bedeutung. Die Etage sei zu einem Zeitpunkt aufgesetzt worden, als die Nazis dringend Räume für HJ-Heime gesucht hätten, sagte Stiftungs-Geschäftsführer Helmut Engel. Für die Planung sei ein Magistratsoberbaurat verantwortlich gewesen, der Entwurf sei künstlerisch unbedeutend und überdies von NS-Dienststellen mit offensichtlich ideologischer Zielsetzung verändert worden. Engel sagte, die Stiftung sei bereit, in die zu errichtende Dachetage den „verunglückten Grundriss“ des heutigen Obergeschosses zu übernehmen, einschließlich eines „überhastet geplanten fensterlosen Appellflurs“. Für die Erhaltung des derzeitigen Obergeschosses stehe die Stiftung aber nicht zur Verfügung.

Der Vorsitzende des Landesdenkmalrats, Adrian von Buttlar, bezeichnete Engels Vorgehen als „Erpressung der Öffentlichkeit“. Er warf der Stiftung vor, sie betreibe „eine andere Denkmalpflege“, in der das Prinzip gelte, „wer zahlt, schafft an“. Wenn die Stiftung auf ihrer Vorstellung beharre, solle sie sich eben zurückziehen, „dann hat sie den Schwarzen Peter“. Den Aufbau der 30er Jahre bezeichnete er als „sehr überlegt gemacht“, seinerzeit sei bereits ein Denkmalpfleger einbezogen gewesen. „Jedes Monument wächst. Gebäude verändern sich“, begründete von Buttlar seine Forderung.

Eigentümer des Gebäudes ist der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Im Vertrag mit der Stiftung Denkmalschutz sei festgelegt, dass das Schoeler-Schlößchen auf den barocken Zustand zurückgebaut werden soll, allerdings nur dann, wenn die Denkmalschutzbehörde die notwendigen Genehmigungen erteilt, sagte Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler. Der Bezirk habe noch nicht entschieden, welcher Ansicht er zuneige. Ein barocker Rückbau berge die Gefahr, dass das Schoeler- Schlößchen hinterher „wie Disneyland aussieht“. Sollte sich allerdings erweisen, dass die barocken Baumeister bisher in der Fachwelt unterschätzt wurden oder das umstrittene Obergeschoss tatsächlich auf ideologischen Vorstellungen von NS-Funktionären beruhe, stärke das die Position der Stiftung Denkmalschutz. Das Schoeler-Schlößchen steht seit Jahren leer.

Christoph Lemmer

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