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Berlin: Da ist was im Anzug

Hübsche Jungs, eingängige Melodien: „Il Divo“, die Boygroup für Klassik-Fans, zu Gast in Berlin

Sie sind erfunden worden, um Erfolg zu haben. Und tatsächlich! Es scheint zu klappen. „Il Divo“ ist der Name des Quartetts aus vier ausnehmend hübschen jungen Männern in Armani-Anzügen, von denen drei eine klassische Gesangsausbildung haben und einer aus dem Popgeschäft kommt. Ein weltweites Casting ging der Gruppengründung 2003 voraus. Die Gewinner hießen: Urs Buhler, ein Tenor aus der Schweiz, der bis dahin Oratorien gesungen hatte, Carlos Marin, der Bariton aus Spanien, der früher vor allem in Opern wie „La Traviata“ auftrat, David Miller aus den USA, der am Broadway den Rodolfo in „La Bohème“ gegeben hatte, und der Franzose Sebastian Izambard, als Popsänger ein Autodidakt, der unter anderem in dem Musical „Der kleine Prinz“ gespielt hatte.

Sie repräsentieren „ein neues Genre“, wie sie sagen, eine Art Klassikpop, bestehend aus Arien und Hits wie dem Toni- Braxton-Song „Unbreak my heart“. Das Besondere daran ist, dass die Lieder möglichst von der Liebe handeln sollten, mit ausgebildeten Stimmen gesungen werden und in verschiedenen Sprachen, also nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Italienisch, Französisch oder Spanisch. Ihr Hauptquartier ist London. „Il Divo“ bedeutet „göttlicher Künstler“ oder „männliche Diva“.

Seit letztem November tingeln sie von Land zu Land, um ihr gleichnamiges Debütalbum jeweils persönlich vorzustellen. Mit schönem Erfolg: Allein in England verkauften sie in den letzten drei Monaten 1,2 Millionen Stück, weltweit insgesamt 3 Millionen. In Kanada, Australien und Finnland schafften sie die Nummer 1 der Charts. Und nun stellen sie sich eben in Deutschland vor. Nach einem Auftritt bei „Wetten, dass...?“ sei ihr Album quasi aus dem Nichts schlagartig an die Spitze der Vorbestellungsliste bei Amazon Deutschland gesprungen. „Wir sind wie Brüder“, sagt Carlos inbrünstig auf die Frage, ob man sich anfreunden kann, wenn man so willkürlich zusammen gecastet wird. Ehrlicherweise fügt er, befragt nach den Schwierigkeiten, die es doch auch geben muss, noch hinzu: „Man muss sein Ego vor der Tür parken.“

Alle sind sie in ihren frühen 30ern und denken, dass „die Leute glauben, wir schlafen in unseren Armani-Anzügen“. Die ersten Konzerte als Gruppe stehen ihnen noch bevor. Urs freut sich drauf, denn „wenn man eine schöne Stimme hat, ist das ein Geschenk und eine Verpflichtung zugleich. Dann muss man auf die Bühne gehen.“ David sieht in solchen Auftritten auch „eine heilende Wirkung“, will die Leute „befreien vom Terror des Alltags“, indem er sie mit seinem Gesang in seine Seele blicken lässt, „damit sie sich berühren lassen“. Für sie alle ist Musik eine Art Berufung. „Ich habe nie das Gefühl gehabt, ich gehe zur Arbeit“, sagt Urs. Carlos kann sich ein Leben ohne Musik gar nicht vorstellen. Privat hören sie auf ihren I-Pods auch Heavy Metal und Techno, Sebastian mag Musik von Sting.

Aber die Cross-over-Klassik, mit der sie in die Hitparaden streben, ist für sie eine „ganz neue Autobahn“ zum Erfolg. Das Rezept für den Ruhm aus der Retorte sieht neben schönen Gesängen natürlich vor allem romantische Projektionsflächen vor. Mit den Fantasien ihrer Fans können sie leben. Deshalb gibt es vermutlich auf diese Frage auch keine eindeutige Antwort: Haben sie Freundinnen oder Lebenspartner, echte Familien? „Hohe Telefonrechnungen“, sagt David. „Man sieht sich ja nie.“ Immerhin betrachten sie sich noch als Boygroup. Es stört sie nicht, wenn die Fans von ihnen träumen. „Auf der Bühne steht man doch ganz nackt da“, sagt David irgendwann. Als sei es wirklich möglich, mit musikalischer Astronautenkost, die Armani-Anzüge völlig in Vergessenheit geraten zu lassen.

Mehr im Internet unter

www.ildivo.com

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