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Berlin: Da wurde die Trompete zum Schlagzeug

Musikant geriet in der U-Bahn mit Bauarbeitern aneinander, die genervt vom Lärm im Waggon waren Dachdecker verlor durch Prügel mit dem Blasinstrument mehrere Zähne. Jetzt kam es zum Prozess.

Viele Fahrgäste rollten mit den Augen, als das Trommel- und Trompetenspiel in der voll besetzten U-Bahn begann. „Alle waren genervt“, sagte Björn R., ein 38-jähriger Dachdecker, der mit zwei Kollegen von einer Baustelle am Spittelmarkt kam. „Macht mal die Musike aus, wir wollen den Lärm nicht auch noch“, rief einer seiner Begleiter dem Trio zu. Das gab keine Ruhe. Es kam zum Streit, dann zu einer kleinen Rangelei, bei der die Bauarbeiter das Musikanten-Trio am nächsten Bahnhof aus dem Waggon drängten. Am Ende aber holte Marinel O. mit seiner Trompete aus und schlug dem Dachdecker mehrere Zähne aus.

Marinel O. war einige Minuten nach dem Geschehen in der U 2 in der Nähe des U-Bahnhofs Hausvogteiplatz von Polizisten gefasst worden. 20 Tage verbrachte er in Untersuchungshaft. Kleinlaut saß er am Donnerstag vor einer Richterin. Bis zu jenem Tag habe er nie mit der Polizei zu tun gehabt, sagte der Angeklagte. „Ich habe fünf Kinder, ich halte mich immer aus Streitigkeiten raus.“ In der U-Bahn sei er von einem Mann am Hals gepackt worden. „Ich bekam keine Luft mehr, wollte mich nur wehren, habe mit der Trompete um mich geschlagen und ihn vielleicht verletzt.“ Er beteuerte immer wieder: „Es war keine Absicht.“

Die Wahrheit aber war es nicht. Bilder aus der Überwachungskamera, so einer der beteiligten Bauarbeiter, würden es ganz genau zeigen: Der Trompeter steht auf dem Bahnsteig, holt mit seinem Instrument aus und schlägt in den Waggon. „Da war die Sache für uns schon erledigt“, sagte ein 45-jähriger Zimmermann. Das Video lag der Richterin zwar nicht vor. Es soll sich noch bei der Polizei befinden, die auch gegen die Begleiter von O. ermittelt. Doch allein die Aussagen der Zeugen führten beim Angeklagten zu einem Sinneswandel. Sein Anwalt erklärte für ihn: „Er war verärgert, weil er zu Boden gebracht worden war und hat – als eigentlich alles vorbei war – mit der Trompete zugeschlagen.“

Marinel O. pendelt zwischen Deutschland und Rumänien, wo seine fünf Kinder bei ihrer Großmutter leben. In Berlin kommt er bei Bekannten in Reinickendorf unter. Er habe keinen Beruf, übe aber eine Tätigkeit aus, sagte O. „Ich mache Musik.“ Das Trompetenspiel bringe ihm bis zu 800 Euro im Monat ein. Davon schicke er 150 Euro der Familie.

Wo er derzeit als Musikant anzutreffen ist, verriet er nicht. In U- und S-Bahnzügen allerdings ist Musizieren laut Beförderungsbedingungen verboten. Kontrolleure würden solche Untergrund-Combos auch aus den Zügen befördern, sagte nach dem Übergriff eine BVG-Sprecherin. Aber diese würden oft in den nächsten Zug in die Gegenrichtung wieder einsteigen. Die BVG bietet Musikern aber auch eine legale Plattform. Für bestimmte Plätze werden für sieben Euro die Woche Genehmigungen erteilt.

Für Dachdecker R. und seine Kollegen waren das, was Marinel O. im Prozess als „Walzer oder Tango“ bezeichnete, keine erträglichen Töne. „Nach acht Stunden Baulärm auch noch das“, beschrieb der Mann. Ja, sie hätten die Musiker aus dem Zug gedrängt, weil sie trotz freundlicher Bitte nicht aufhörten. Nach der Sache habe er sich umgedreht. „Da hat es peng gemacht.“ Die Trompete war in zwei Teile gebrochen. Der Dachdecker spuckte Blut und Zähne. Vier Implantate sind erforderlich, die Behandlung werde mehr als 10 000 Euro kosten, schätzte der Handwerker. „Eine Klampfe hätte ich ertragen“, sagte er. Das Spielen störe nicht wirklich. Aber das Trio sei aggressiv gewesen, habe verlangt: „Gebt uns 20 Euro, dann hören wir auf.“

Marinel O. entschuldigte sich. „Es hätte nicht passieren dürfen“, zeigte er sich reuig. Wie die Staatsanwältin wertete auch die Richterin strafmildernd, dass die Bauarbeiter nicht völlig unbeteiligt waren. „Sie verhielten sich auch nicht ganz korrekt.“ O. sei im Gerangel auch zu Boden gebracht worden. Neun Monate Haft auf Bewährung lautete das Urteil.

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