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Pariser_Platz

© ddp

Dalai Lama: Die Aura vom Himalaya am Brandenburger Tor

25.000 Menschen kamen gestern, um den Dalai Lama zu erleben Auch Künstler und Politiker traten für die Sache Tibets auf die Bühne.

Kurz vor sechs am Abend ließ die Menge am Brandenburger Tor die gelben, roten und blauen Luftballons los - als symbolischen Friedensgruß. Rund 25 000 Menschen jubelten nach Angaben der Veranstalter ihrem Idol noch einmal zu. Der Dalai Lama hatte ihnen zuvor eine halbe Stunde lang zugelächelt und sie zu einem gewaltfreien Leben ermuntert.

"Das 21. Jahrhundert sollte ein Jahrhundert des Dialogs sein", sagte der Dalai Lama mit einem feinen Gefühl für die historische Symbolik des Ortes. Er lächelte verschmitzt, zog ein Bonbon aus seinem Umhang und steckte es einem Jungen zu. Sehr ernsthaft aber stellte er klar, dass er für die Freiheit aller Menschen kämpfe, nicht nur der Tibeter.

Wolfgang Kersting wird das besonders gefallen haben. Der Musiker war wie hunderte andere Aktivisten schon Stunden vorher da und stieß mit dem Pappkarton-Schriftzug "Freiheit auch für Chinesen" auf Empörung bei einigen Tibetern. "Wir vergessen zu schnell, dass auch in China die Menschen unterdrückt werden", sagt Kersting, der ein aus alten Vorhängen zusammengeflicktes Mönchsgewand trug.

Auf dem Transparent von Tsering Dindup und Andreas Quandt hielt sich ein Affe mit den olympischen Ringen auf seinem T-Shirt die Augen zu. Sie reisten eigens aus Hamburg und Lüdenscheid an. "Wir sind gespannt, was seine Heiligkeit uns zu sagen hat", sagte Quandt, der mit einer Exil-Tibeterin verheiratet ist. Berlins Tibeter zündeten bündelweise Räucherstäbchen an. Mit dem Duft von Heilkräutern aus dem Himalaya begrüßten sie den Religionsführer.

Dessen Auftritt verzögerte sich. Zuvor sangen 2Raumwohnung und auch Sebastian Krumbiegel, der Sänger der Prinzen, von der Nation der Liebenden und der Sanftheit. Der Schauspieler Ralf Bauer hatte als Moderator die Grußbotschaft des Regierenden Bürgermeisters verlesen. Klaus Wowereit ließ mitteilen, der Senat und er persönlich unterstützten den Dalai Lama in dem Bestreben nach größtmöglicher Autonomie der Tibeter.

Als Bauer den SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck und Außenminister Frank Walter Steinmeier zum Gespräch mit dem Dalai Lama aufforderte, hagelte es Pfiffe für die SPD-Größen. Der Chef der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, sagte, der Dalai Lama brauche ein Zeichen der Stadt Berlin, die so lang um ihre Freiheit gerungen habe.

Sogar auf der Bühne setzte sich der bundespolitische Streit über den Umgang mit dem Dalai Lama fort: Wowereit hatte den Mann aus Tibet nur schriftlich begrüßt - die Chefinnen und Chefs der Jamaika-Opposition waren umso stolzer, den Religionsführer persönlich zu treffen. Ein paar Minuten hatte der Dalai Lama für Pflüger, die Grünen-Landeschefin Irma Franke-Dressler und den FDP- Fraktionsvorsitzenden Martin Lindner. Die Geste zähle, sagte Pflüger. Die Grünen-Politikerin Franke-Dressler erfuhr zu ihrer Freude, dass der Dalai Lama, wenn überhaupt, nur den Grünen beitreten würde, wie sie sagte. FDP-Fraktionschef Lindner schimpfte über die zerstrittene SPD mitsamt Wowereit. Die SPD hätte früher viel für die Menschenrechte übrig gehabt - jetzt reiche es gerade für ein Grußwort.

Der Dalai Lama war am Montag um 9 Uhr auf dem Flughafen Tempelhof gelandet. Wie bei seinen letzten Besuchen übernachtete er im Hotel Adlon in Sichtweite zum Brandenburger Tor. Die Polizei setzte 600 Beamte ein, vor allem, um Straßen zu sperren. Die Sicherheit des Friedensnobelpreisträgers wurde von Personenschützern des Landeskriminalamtes gewährleistet. Er trägt die Gefährdungsstufe 3, dies ist die niedrigste Kategorie. Am Abend konnte Polizeieinsatzleiter Michael Krömer entspannen: "Alles absolut friedlich."

Als der Friedensnobelpreisträger um 14.28 Uhr das Adlon verließ und zum Reichstag gefahren wurde, kam etwas Beifall auf. Freundlich winkte der Dalai Lama hinter den schusssichern Scheiben der schwarzen Limousine. Auch vor dem Hotel wehten Dutzende tibetische Flaggen. Auf einem Plakat wurden "Merkel, Köhler und Steinmeier" ein "windelweicher Charakter" vorgeworfen - aus Verärgerung, dass kein deutscher Spitzenpolitiker den Tibeter empfangen hat. Schon mittags hatten sich am Brandenburger Tor die ersten Tibeter eingefunden. Die Bühne war zuvor von Sprengstoffexperten der Polizei kontrolliert worden. Im Regierungsviertel war wegen der Straßensperrungen für Autofahrer kaum ein Durchkommen.

Vor dem Reichstag waren die Fahnen rot, die Polizei hatte dort eine Gegendemonstration zugelassen, einige Dutzend Chinesen kamen. Organisator Jia Zhiping nannte den Dalai Lama einen "Lügner", der lediglich seine alte Macht zurückerlangen wolle. Auf einem Plakat hieß es, dass er seine "Propaganda-Tour" beenden solle und sich stattdessen um die Opfer des Erdbebens kümmern solle.

Insgesamt waren gestern weit weniger Chinesen auf der Straße als im April, als 3000 Menschen bei einer straff organisierten Pro-China-Demo durch Mitte teilgenommen hatten.

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