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Berlin: Dank dem Dichter

Paul-Gerhardt-Gottesdienst im Französischen Dom

Dass hätte Paul Gerhardt nicht gefallen, dass der erste Gottesdienst einer Predigtreihe zu seinen Ehren ausgerechnet in der reformierten Französischen Friedrichstadtkirche stattfindet. Reformierte Protestanten calvinistischer Tradition hielt der in Wittenberg zum Theologen ausgebildete orthodoxe Lutheraner für Ketzer, legte sich ihretwegen mit dem Kurfürsten an und verlor 1667 seine Pfarrstelle in der Berliner Nikolaikirche. Von dieser Zeit im Leben des Kirchenlieddichters erzählt Gemeindepfarrer Matthias Loerbrok nichts in seiner Predigt. Da geht es um den noch von Weihnachten im Ohr klingenden Choral „Kommt und lasst uns Christum ehren“.

„Ein Jahr mit Paul Gerhardt“ ist der Titel der Gottesdienstreihe zum 400. Geburtstag, in der in vier Citykirchen alle vierzehn Tage ein Lied des Dichters von Chorälen wie „Geh aus mein Herz“ oder „Nun ruhen alle Wälder“ ausgelegt wird. Ein ungewohntes Bild ist das im Auftaktgottesdienst: Alle haben die Gesangbücher auf den Knien liegen, um der von Strophe eins zu vier oder sieben hüpfenden Interpretation des Pfarrers besser zu folgen. Im Gegensatz zu Gerhardts eingängigen Texten, für die ihn seine Zeitgenossen auch deshalb liebten, weil sie sie sich als Analphabeten leicht merken konnten, fällt Loerbroks Auslegung intellektueller aus. „Sünd’ und Hölle mag sich grämen/ Tod und Teufel mag sich schämen/ wir, die unser Heil annehmen/ werfen allen Kummer hin“, heißt es in der zweiten Strophe. Laut Loerbrok betont sie Aspekte des Kampfs und der Befreiung. „Die terroristische Viererbande aus Sünd’, Hölle, Tod, Teufel schämt sich ihrer Niederlage. Wir dagegen freuen uns über unsere Rettung durch Jesus. Sie ist zentraler Bestandteil aller evangelischen Theologie.“

Verknüpft mit alttestamentarischen Textbezügen, Wort- und Anredeerläuterungen gibt das ein komplexes Wortgeflecht, das es trotzdem nicht mit Feuer und Kraft des Dichters aufnehmen kann. So ist es nur recht und billig, dass Pfarrer Loerbroks dankbar für Paul Gerhardt ist, dessen Lieder den Menschen seit Jahrhunderten Trost und Freude schenken. „Wir segnen Gott für einen Dichter, dem es gegeben war, uns so zu Herzen zu reden.“

Der nächste Paul-Gerhardt-Gottesdienst ist am 21. Januar, 10 Uhr im Berliner Dom. Infos: www.paul-gerhardt-jahr.de

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