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Berlin: Das Ass aus dem Ärmel

BAP rocken sich durch die Zeit in der Columbiahalle

Das Spiel ist schon zur Hälfte gewonnen, als Wolfgang Niedecken auf die Bühne der Columbiahalle tritt. Ein BAP-Konzert ist nämlich immer ein abgekartetes Spiel. Die Band spielt ihre Trümpfe aus und die Fangemeinde weiß, dass sie aus dem Ärmel gezogen werden. Sie ist textsicher, hat die neue CD längst in der Tasche und kann daher alle Lieder auswendig mitsingen. Das steckt an: Bald ertappt man sich selbst dabei, die eine oder andere Zeile lautmalerisch nachzuahmen. Niedecken singt von den Autobahnen rund um Köln, von der Anita und dem Dieter, von der Liebe und von der weiten Welt. Aus der Kölner Südstadt, seinem musikalischen Quellgebiet, rockt er sich in einem hitzigen, schleppenden Bluesrock bis rövver nach Tanger. Aggressive Powerchords treiben „Unger Krähnebäume“, das Herzstück der neuen „Sonx“-CD, voran.

Die Stimmung ist sofort auf dem Höhepunkt. Es brodelt. Mit wippenden Knien wandert Niedecken über die Bühne, animiert Leadgitarrist Helmut Kumminga immer wieder zu atemberaubenden Soloparts, plaudert unangestrengt op Kölsch und auf Hochdeutsch. Was er sagt, das meint er auch so, ehrlich. Und seine Musik ist nicht viel anders. Sie hat die zahlreichen Umbesetzungen in der Band gut verkraftet. Als er von Konzerten gegen den Irak-Krieg und in der DDR spricht, kommt kurzzeitig ein Schuss Rebellion in seine Stimme. Dann findet er wieder zu versöhnlicheren Tönen, packt die Akustikgitarren aus, um herzschmerzgetriebene Liebeslieder zu intonieren: „Dat du nit einfach wigger jinx, Maria.“ Was auch immer – man kann es ohnehin nicht verstehen. Auf Dauer wirkt das alles ein bisschen zu solide in dieser fest verbauten BAP-Welt. Zu routiniert, zu reibungsarm. Doch man erwartet nichts anderes von Niedecken&Co., wie die Zugabe-Rufe beweisen.

Beim Rausgehen will ein lokaler Fernsehsender wissen, ob BAP denn noch die Alten seien, ob sie noch so richtig abrocken würden. Schwer zu sagen. Als BAP noch nicht die Alten waren, war Gitarrenrock ein aussterbender Lebensstil. Sie haben sich nicht geändert. Gitarrenrock schon.

Thomas Thiel

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