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Berlin: Das bedeutendste Mitglied der Londoner Künstler- und Literatengruppe war Virginia Woolf

Hintergründiges im Leben berühmter Künstler und Poeten aus dem Mund von Zeitzeugen zu erfahren, hat einen besonderen Reiz. Entsprechend groß ist der Andrang im Berliner Literaturhaus, wo für vier Tage "Bloomsbury" Einzug hält.

Hintergründiges im Leben berühmter Künstler und Poeten aus dem Mund von Zeitzeugen zu erfahren, hat einen besonderen Reiz. Entsprechend groß ist der Andrang im Berliner Literaturhaus, wo für vier Tage "Bloomsbury" Einzug hält.

Bloomsbury, die exzentrische, antibürgerliche Gruppe Londoner Künstler und Literaten, deren bedeutendstes Mitglied Virginia Woolf war, traf sich seit 1907 jahrzehntelang in Charleston, einem Landsitz in Sussex (vgl. Tagesspiegel-Sonntagsbeilage 5. 12.). "Eine erstaunliche Menagerie" nannte Virginia Woolf das Leben dort, wo ihre Schwester Vanessa Bell unbestrittener Mittelpunkt war. Der Maler Duncan Grant, ihr Lebensgefährte, der zugleich Geliebter vieler männlicher Gäste war, lebte hier bis zu seinem Tod 1978. In den achtziger Jahren wurde das Haus zu einem Museum, in das über 20 000 Besucher jährlich kommen. Heute wird Charleston, das von einem Trust verwaltet wird und keine öffentlichen Gelder erhält, von 25 000 Besuchern jährlich frequentiert.

Virginia Nicholson, die Enkelin von Vanessa Bell, erinnert sich, wie sie als kleines Mädchen der Großmutter Modell saß, "für sixpence die Stunde". Understatement und Begeisterung mischten sich in ihrem von alten Schwarz-Weiß-Fotos und Farbdias der Gemälde von Vanessa, Duncan Grant und Roger Fry unterlegten Vortrag auf britisch vornehme Art. Als "partielle Insiderin", die die Sommerferien in Charleston verbrachte, ließ sie den gepflegt verwilderten Garten, das verwinkelte, bis in den kleinsten Ecken von seinen Bewohnern ausdekorierte Haus vor den Augen der Zuhörer erstehen, als blättere sie im Familienalbum. Man konnte die Mixtur aus Ölfarben, feuchter Töpfererde und Küchendüften, den atmosphärischen Reiz und die Sehnsucht nach jenen unkonventionellen, libertinären Lebensformen erahnen, die Triebfeder solcher Künstlerkolonien zu Beginn des Jahrhunderts war.

Die Aura von Kunstwerk und Leben ließ auch die Schauspielerin Corinna Kirchhoff am ersten Abend von "Bloomsbury in Berlin" mit einer Lesung aus Virginia Woolfs Roman "Mrs. Dalloway" wiedererstehen. Wie sie sich den Text zugleich anverwandelte und doch Distanz bewahrte, unaufdringlich amüsiert, manchmal fast mokant die Rollen wechselnd. Das ließ selbst skeptische Gemüter sich für Augenblicke der Illusion hingeben, Virginia Woolf sei mit den übrigen Gästen für ein paar Tage von Bloomsbury nach Berlin gekommen.Letzte Veranstaltung im Literaturhaus: heute, 17 Uhr "Worte und Bilder - Übergänge und Übersetzungen" (mit dem Anglisten Klaus Reichert). Das Programm wird ergänzt durch eine Filmreihe im Arsenal, 12. bis 18. Dezember.

Cornelia Staudacher

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