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Berlin: Das Bühnen-Gen

Anita Kupsch und ihre 19-jährige Enkelin Lea Schobesberger spielen erstmals gemeinsam Theater Die Abiturientin gibt an den Ku’damm-Bühnen in der Komödie „Die Lokomotive“ ihr Debüt.

Von der berühmten Kodderschnauze ist heute nichts zu merken. Anita Kupsch sitzt friedlich vorm „Dressler“ gleich neben dem Theater am Kurfürstendamm und mag trotz ihrer Mittagspause kaum was essen. Habe sie nie gern gemacht, sagt sie. Weder morgens, noch nach 15 Uhr und zwischendrin eigentlich auch nicht. „In der Zeit könnte ich so viele andere Sachen machen.“ Den Spruch bringt sie öfter und man sieht der zierlichen, einst als Balletteuse ausgebildeten Blondine an, dass er stimmt. Sitzen, essen – alles nicht ihr Ding. Lieber auf Achse sein, Theater spielen. Bis 2015 müsse sie mindestens leben, spielt sie auf ihre Brustkrebserkrankung vor einiger Zeit an. „Bis dahin bin ich schon ausgebucht.“

Gerade kommt sie zurück aus Heilbronn, da hat sie ihre Paraderolle der gewitzten Haushälterin „Perle Anna“ gespielt. Kaum zu Hause in Berlin, gingen gleich wieder die Proben am Ku’dammTheater weiter. Das schlaucht. Die Kupsch ist schließlich kein junges Ding mehr. „Ich muss nicht mehr aussehen wie 50, schließlich bin ich 72“, flachst sie. Den Part der jungen Verliebten spielt in ihrer neuen Produktion „Die Lokomotive“ das gescheite Mädchen neben ihr: Lea Schobesberger, 19 Jahre, Abidurchschnitt 1,5, Tochter des Schauspielerehepaars Daniela Lohmeyer, Christoph Schobesberger und ebenso zu Hause in Wilmersdorf wie ihre Großmutter Anita Kupsch. Am Sonntag feiern Oma und Enkelin ihre erste gemeinsame Theaterpremiere. In einer Familienkomödie, die in den 60er Jahren unter Exil-Russen in Paris spielt. Unter der Regie von Jürgen Wölffer, bei dem die Kupsch sich die Stücke an ihrer Berliner Hausbühne aussuchen kann. „Die Lokomotive“ etwa, „weil das Stück keine Hauruck-Komik hat“, weil es sich um Liebe dreht und weil Grethe Weiser es früher auch gespielt hat. Mit der sei sie befreundet gewesen, erzählt sie. „Ich mochte ihren trockenen Humor.“ Natürlich war es auch Kupschs Idee, ihre gerade mit der Schule fertige Enkelin ans Ku'damm-Theater zu bringen. Sie hat sie empfohlen. „Aber beim Vorsprechen überzeugen musste sie schon selber.“

Kein Wunder, dass Lea Schobesberger, die Oma wie Eltern beim Vornamen nennt, das gut gemeistert hat. Sie schaut ja von Kindesbeinen an zu und hat bei Schultheateraufführungen trainiert. Persönlich zieht es sie aber mehr in die Schaubühne als ins Boulevardtheater. „Ich habe gerne was zum Denken, statt mich nur unterhalten zu lassen.“ Was an ihrer Rolle schwierig ist? „So eine mädchenhafte Verliebtheit zu spielen“, sagt Schobesberger, die mit ihrem Freund in einer WG lebt, „so bin ich selbst überhaupt nicht“. Ist klar. Die Enkelin steht ihrer Großmutter, die bereits mit 16 Theater und seither auch zahllose Film- und Fernsehrollen spielte, an Zielstrebigkeit und Selbstbewusstsein nicht nach. „Ich möchte Regie oder Drehbuch studieren und schreibe vor der Vorstellung schon an meinem ersten“, sagt sie.

Mal sehen, ob es darin eine Rolle für ihre Großmutter gibt. Die hat dem Fernsehen nämlich ziemlich abgeschworen. „Das verblödet doch nur noch mit seinen vielen Talkshows und Kochshows“, sagt Anita Kupsch. Viel wichtiger sind ihr und ihrem Mann die acht Zeitungen, die sie morgens um sechs zum Frühstück lesen. Jeden Morgen acht Zeitungen, wie geht das denn? „Na, so“, grinst Kupsch und macht schnelle Umblätterbewegungen. Die Fernsehberühmtheit von Gabi Köhler, der kernigen Arzthelferin in der Serie „Praxis Bülowbogen“, die Kupsch ab 1986 zehn Jahre lang an der Seite von Günter Pfitzmann verkörpert hat, ist jedenfalls ungebrochen. Es passiert ihr immer noch, dass Leute zu ihr sagen, sie solle doch mal den Doktor Brockmann schön grüßen. „Denn sage ich immer, det geht schlecht, der ist längst tot.“ Überhaupt haben die Menschen keine Berührungsängste, wenn sie mit ihrer Tochter ungeschminkt ins KaDeWe geht. „Guck mal, die Kleene“, hört sie dann rechts und links ihren alten Kosenamen.

Auf dem Weg vom Restaurant zurück zum Bühneneingang ist es ähnlich. Die Frau am Lottostand in der Ku’damm-Passage winkt ihr, Theaterpförtner Ecki schüttelt seiner Anita die Hand. Dabei hat sie gerade noch gesagt, dass sie eigentlich nicht mit Menschen umgehen kann. Die Geduld, die Diplomatie fehle ihr. Ganz besonders auf der Bühne. „Mit Dilettanten kann ich einfach nicht spielen“, herrscht Kupsch, jetzt wieder voll auf Betriebstemperatur. Mal sehen, ob sie es mit Enkelinnen kann.

2. September bis 4. November im Theater am Kufürstendamm, Voraufführungen ab 29. August, Karten ab 13 Euro

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