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Berlin: Das doppelte Portal

Wenn die Stadtschloss-Fassaden irgendwann wieder aufgebaut sind, ist ein Kuriosum zu besichtigen. „Jeder wird sich die Augen reiben“, sieht Wilhelm von Boddien vom Förderverein Berliner Stadtschloss voraus.

Wenn die Stadtschloss-Fassaden irgendwann wieder aufgebaut sind, ist ein Kuriosum zu besichtigen. „Jeder wird sich die Augen reiben“, sieht Wilhelm von Boddien vom Förderverein Berliner Stadtschloss voraus. Dann wird es nämlich zwei Schlossportale gleicher Bauart in fast unmittelbarer Nachbarschaft geben. Nämlich das neue und das nur rund hundert Meter entfernte Portal, das in das einstige DDR-Staatsratsgebäude eingebaut worden ist. Es ist weitgehend aus geretteten Originalteilen des alten Schlosses hergestellt. So lässt sich gut vergleichen, wie sich die Portale ähneln werden, wie genau die „Fälschung“ nach dem Original rekonstruiert worden ist.

In die Fassade des von 1962 bis 1964 erbauten dreigeschossigen Staatsratsgebäudes war das ehemals zum Lustgarten gewendete Portal IV des Berliner Stadtschlosses eingefügt worden. Das Portal war zwischen 1706 und 1713 von Johann Friedrich Eosander v. Göthe als Wiederholung des 1698/1706 entstandenenen Portals V von Andreas Schlüter entstanden. Vom Balkon des Portals IV hatte Karl Liebknecht am 9. November 1918 die sozialistische Republik ausgerufen. Der historische Hintergrund war Anlass für die Ost-Berliner Stadtplaner, den Architekturkollektiven Roland Korn und H. Bogatzky den Auftrag zu erteilen, mit einer Einbeziehung des Portals wenigstens an diesen Teil des alten Schlosses zu erinnern. Und weil das Staatsratsgebäude, späteres provisorische Bundeskanzleramt und künftiger Sitz einer Business-Eliteschule unter Denkmalschutz steht, wird das Schlossportal erhalten bleiben.

Von Boddien ist entschlossen, 75 Millionen Euro für die rekonstruierte Schlossfassade samt neuer Portale über Spenden zu sammeln. Im vergangenen Jahr brachte ein symbolischer Aktientest 4 Millionen Euro ein, bei 8000 angeschriebenen Adressaten. Und auch ein jüngster Spendenaufruf nach der Schloss-Entscheidung des Bundestags brachte als Einstieg in die Finanzierung schon rund 250 000 Euro ein. Von Boddien denkt an institutionelle Aktienanleger wie Versicherungen, selbst die Riester-Rente könnte vielleicht irgendwann in Schlossbesitz angelegt werden. Von Dresden und dem Aufbau der Frauenkirche könne man viel lernen, für Berlin müsse der Wiederaufbau der Schlossfassaden ein „Stadtereignis“ sein, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit begreifen, dass der Aufbau ein Konjunkturprogramm für die Stadt bedeute. Von Boddien denkt daran, für den Wiederaufbau des Schlosses eine Bauhütte auf dem Schlossplatz einzurichten, mit der Fachgemeinschaft Bau Musterfassaden zu errichten. In gut einem halben Jahr könne man die Schlossfassade ins Internet stellen, einzelne Bausteine, die mit Preisen versehen seien, anklicken und damit zur Spende beitragen. Eine Großbildleinwand sei geplant und natürlich Merchandising, die Vermarktung von Uhren und Ähnlichem, wie es auch in Dresden bei der Frauenkirche praktiziert werde

Auf insgesamt 130 Millionen Euro sind die Baukosten der seit 1993 gebauten Frauenkirche veranschlagt, rund ein Viertel dessen, was ein Neubau auf dem Schlossplatz (ohne historische Fassade) kostet. In der Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche sieht man gespannt auf Berlin. „Man muss einfach anfangen“, heißt es in Dresden, wo viele Menschen noch vor elf Jahren einen Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Kirche für undenkbar hielten, dann aber von einer ungeahnten Spendenbereitschaft überrascht wurden.

Ein von interessierten Bewohnern initiierter „Ruf aus Dresden“ an die Weltöffentlichkeit zeigte Wirkung und spülte Spenden an die Elbe, von kleineren Beträgen bis zu Millionensummen. Die Dresdner Bank engagierte sich, auch das ZDF. Möglichst 2005 sollen kurz vorm achthundertjährigen Jubiläum der Stadt die mächtige Sandsteinkuppel aufgerichtet und der Innenraum vollendet sein. Bisher hat das Mauerwerk eine Höhe von 44 Metern erreicht, mindestens 18 Millionen Euro müssen noch gesammelt werden.

Wer in den Pavillons an der Baustelle eine Uhr mit dem Frauenkirchen-Motiv kauft, erhält beispielsweise ein Zertifikat, in dem ihm für die Erhaltung eines kulturellen Erbes gedankt wird. Noch muss Wilhelm von Boddien davon träumen, dass ihm an der Baustelle Schlossplatz einmal Uhren abgekauft werden. Christian van Lessen

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