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Berlin: Das fliegende Krankenzimmer

Bald sind wieder Ferien, die tun uns gut. Aber was ist mit den Flügen? Über Risiken und Nebenwirkungen

Endlich im Flieger. Ferien. Nur der Flug liegt noch dazwischen – ein langer Flug unter Umständen. Und der kann für den Körper ganz schön belastend werden. Was also geschieht beim Fliegen in uns?

Die allererste Auswirkung spüren Passagiere schon während des Starts – einen dumpfen Druck auf den Ohren. Mit zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck in der Kabine nämlich ab. Er wird zwar künstlich auf dem Niveau von maximal 2400 Metern Höhe gehalten, doch selbst da ist der Luftdruck geringer als am Boden. Und weil das Trommelfell den inneren Gehörgang luftdicht abschließt, behält die Gasblase dahinter zunächst den höheren Erddruck bei – die Trommelfelle wölben sich also nach außen. Beim Sinkflug funktioniert es dann andersherum, dann steigt der Luftdruck wieder an und drückt das Trommelfell nach innen. Normalerweise kann man den Ohrendruck durch Schlucken beenden, weil dann die Luft durch den Rachen- und Nasenraum abfließen kann. Wenn der Ausgleich aber nicht funktioniert, zum Beispiel wegen einer verschnupften Nase, kann das Kopfschmerzen, Gehörprobleme oder Schwindelanfälle geben. Deshalb gilt: Wer Schnupfen hat, sollte nicht fliegen oder vorher schleimhautabschwellende Nasentropfen verwenden. Und wer mit Kleinkindern reist, sollte sie bei Starts und Landungen wecken und mit einem Bonbon zum Lutschen animieren.

Weitaus gefährlicher als die Druckbeschwerden sind jedoch Thrombosen, jene plötzlich auftretenden Gefäßverschlüsse, verursacht durch verklumpte Blutkörperchen.

Einer der Ersten, die sich mit dieser Gefahr befasst haben, ist der Berliner Gefäßmediziner Helmut Landgraf. Er ist Chefarzt am Vivantes Klinikum in Berlin-Friedrichshain und selbst Hobbypilot. Um herauszufinden, was das Fliegen mit unserem Blut macht, installierte Landgraf 1990 in einer nagelneuen Boeing 747 ein mobiles Labor. Damit konnte er zum Beispiel die Fließgeschwindigkeit des Blutes und seine Gerinnungsneigung bestimmen. 30 gesunde Probanden waren an Bord der Maschine auf ihrem Jungfernflug von Seattle nach Frankfurt. Das Ergebnis überraschte: Nicht das beengte Sitzen in der Touristen-Klasse erhöht das Thromboserisiko wie gemeinhin angenommen, sondern grundsätzlich das lange Sitzen, egal in welcher Klasse, stellte Landgraf fest.

Weitere Studien haben nun gezeigt, dass sich das Thrombose-Risiko an Bord eines Flugzeuges um das Zwei- bis Dreifache erhöhe, sagt Helmut Landgraf. Das gilt vor allem für Passagiere, die über 40 Jahre alt sind. Es gibt jedoch ein Rezept dagegen: viel Bewegung. Manche Airlines bieten regelrechte FitnessProgramme an Bord. Die Lufthansa zum Beispiel nennt das „Flyrobic“. Dazu gehören Pumpbewegungen im Sitzen, das heißt rhythmisches An- und Entspannen der Bein- und Fußmuskulatur. Die Muskeln drücken auf die Beinvenen und damit das Blut nach oben. So wird ein Blutstau verhindert, denn in geschwollenen Venen steige das Risiko, dass sich Blutzellen verklumpen, sagt Landgraf. Dem gleichen Zweck dienen Kompressionsstrümpfe aus besonders fest gewebtem, eng anliegendem Stoff.

Probleme kann das Fliegen aber auch Passagieren mit einer Behinderung der Sauerstoffaufnahme bereiten, Anämie-Patienten zum Beispiel, die unter einem Mangel an den sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen leiden, oder Mukoviszidose-Kranken mit stark verschleimten Lungen. Denn der niedrige Kabineninnendruck erschwert die Sauerstoffversorgung der Körperzellen. Das ist reine Physik. In der dünnen Höhenluft sinkt der Sauerstoffdruck im Blut – die Diffusion in die Zellen geht zurück. Dann helfe oft nur, zusätzlichen, reinen Sauerstoff zu verabreichen, sagt Helmut Landgraf.

Was das Strahlenrisiko betrifft, kursieren jedoch zu viele Horrorgeschichten. Wer der Sonne näher kommt, muss auch mit einer höheren Strahlenbelastung rechnen, so viel stimmt. Denn in den dünnen oberen Luftschichten ist die Höhenstrahlung stärker und die Filterwirkung der Atmosphäre geringer als am Boden. Und je weiter in Richtung der Pole die Maschine fliegt, desto höher ist diese Belastung, denn an Nord- und Südpol ist die kosmische Strahlung durch das Magnetfeld der Erde am stärksten konzentriert. Dennoch liegt die Belastung bei einem Flug von Berlin nach San Francisco bei maximal 0,11 Millisievert – Millisievert ist die Einheit, mit der die vom Körper aufgenommene Strahlendosis gemessen wird. Zum Vergleich: Die Aufnahme eines Röntgenbildes der Brustwirbelsäule belastet den Körper mit etwa dem doppelten Wert.

Für das Bordpersonal allerdings, das wesentlich häufiger fliegt als Urlauber, gelten andere, strengere Regeln. Flugbegleiter zum Beispiel müssen regelmäßig Buch führen über ihre Strahlenbelastung, ein Computer berechnet das anhand von Route und Flugdauer. Und Stewardessen dürfen nicht mehr an Bord arbeiten, sobald sie eine Schwangerschaft bemerken. Wegen des Risikos für den Embryo.

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