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Berlin: Das Gut der Seidenraupen

Im Dorf Zernikow hält man die Erinnerung an die Zeit der Maulbeerbäume und Seidenspinnerei fest

Es mangelt in Brandenburg keineswegs an Anlässen für Dorffeste. In Zernikow aber gibt es einen ganz ungewöhnlichen Grund, um mit vielen Gästen zu feiern. Zum alljährlichen Maulbeerfest im Juli oder August stehen so kleine Geschöpfe im Mittelpunkt, dass sie in großer Zahl in einen Schuhkarton passen. Sie laben sich genüsslich an grünen Blättern und wollen gar nicht fliehen: Seidenraupen.

In vielen Orten gibt es noch Straßenschilder mit der Aufschrift „Maulbeerallee“, obwohl dort längst nichts mehr an diese besonderen Bäume erinnert. Ab 1740 und noch einmal ab 1825 hatte Preußen versucht, den Seidenbau flächendeckend einzuführen. Doch die Maulbeerbäume, deren Blätter für die Seidenraupen unabdingbar sind, wollten im märkischen Boden und Klima nicht recht gedeihen. Nur in Zernikow hält ein Verein die Erinnerung fest. Es existiert noch eine Maulbeerallee, und es gibt ein Gutshaus – das Einheimische als Schloss bezeichnen – mit Kartons voller Seidenraupen.

Diese Besonderheit macht viele Besucher neugierig auf die Zernikower Schlossgeister, die hier so eine lange Tradition begründeten. Ausstellungen und Handzettel helfen weiter: Michael Gabriel Fredersdorff, Geheimer Kämmerer und Vertrauter von Friedrich II., baute 1748 nicht nur das Schloss, sondern „nahm sich mit Vorliebe des Seidenanbaus an“, wie Fontane später berichtete. Ganze Plantagen mit tausenden Maulbeerbäumen ließ er bewirtschaften.

An der Dorfstraße 18 entstand ein Seidenhaus, in dem Raupen gezüchtet und Seidenfäden aus ihrem Kokon gewonnen wurden. Mit dem Tod des Schlossherrn im Jahre 1777 endete auch der Seidenbau – das Seidenhaus diente fortan als Hospital für Arme und Kranke. Nach und nach verschwanden auch die Maulbeerbäume. 70 Exemplare an der Allee nach Burow aber überstanden alle Stürme der Zeit und besitzen daher neben den lebenden Raupen, die im Gut gezüchtet werden, einen großen Wert.

Die erneute Heirat der Witwe von Fredersdorff begründete die literarische Tradition in diesem Dorf. Der Dichter Achim von Arnim (1781–1831) war einer der Nachfahren aus dieser Verbindung. Heute wird das Gut mit Ferienwohnungen, einem Museum und einer Gaststätte von einer Arbeitsfördergesellschaft bewirtschaftet. Sie organisiert am Sonnabend, 5. August, ab 13 Uhr das diesjährige Maulbeerfest.

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