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Berlin: Das Hoch "Xolska" lässt die Stadt strahlen und zieht die Menschen ins Freie

Bei Sonnenschein und 27 Grad spielte Berlin noch einmal Süden. Das soll vorerst so bleibenChristiane van Lessen und Ekkhard Schwerk Xolska lässt die Berliner aus dem Häuschen geraten.

Bei Sonnenschein und 27 Grad spielte Berlin noch einmal Süden. Das soll vorerst so bleibenChristiane van Lessen und Ekkhard Schwerk

Xolska lässt die Berliner aus dem Häuschen geraten. So heißt das Hoch, das gegenwärtig einen sonnig-luftigen Septembersommer wie selten beschert. Und die Prognose ist weiter günstig. Das vergangene Wochenende stellte alle bisherigen Sommertage in den Schatten: Es schien, als sei die halbe Stadt auf den Beinen und im Grünen. Hunderttausende sonnten sich am oder auf dem Wasser, bevölkerten die Bäder, den Tiergarten, die Parks, saßen in Biergärten oder Cafés, besuchten den Red-Bull-Flugtag im Strandbad Wannsee, strömten zum Sommerfest am Potsdamer Platz oder vergnügten sich ganz einfach beim Spaziergang. Die Straßen in der Innenstadt wirkten dagegen wie leer gefegt.

So hieß es beispielsweise bei Möhring an der Uhlandstraße / Ecke Kurfürstendamm: "Wir sind keinesfalls überfüllt." Die einschlägigen Ausflugslokale meldeten dagegen "Die Hauptstadt schlägt durch" (so zum Beispiel das Gasthaus Moorlake in Wannsee). Andere Häuser im Grünen waren dermaßen in Anspruch genommen, dass nur ein gehetztes "Sehr gut besucht!" zu vernehmen war. Ein Kellner im Tiergartener Café am Neuen See war zum Beispiel so im Schwung, dass er bei der telefonischen Frage, ob es überhaupt noch eine Chance gebe, einen Kahn für eine Bootspartie auf dem Neuen See zu bekommen, sogleich vom Zwiebelkuchen zu reden begann, dem die Besonderheiten der Speisekarte folgten. So hoch schlugen dort die Ausflugswogen, dass die Frage nach den Booten unterging.

"Loretta am Wannsee" war telefonisch überhaupt nicht zu erreichen, dort war nur das Faxgerät eingeschaltet. Das Oktoberfest im Zelt beim "Rübezahl" am Müggelsee war stark gefragt, das Lokal aber geschlossen.

Der Drang ins Grüne und zum Wasser bei Temperaturen bis zu 27 Grad bestätigte, dass die Bäderbetriebe gut beraten waren, zahlreiche Sommerbäder nicht schon - wie vorgesehen - Ende August zu schließen. An den Eingängen bildeten sich lange Schlangen, dort aber, wo die Tore versperrt waren, gab es lange Gesichter. Letzteres zum Beispiel am Columbiabad in Neukölln. Im Freibad Halensee war nur die Liegewiese bei freiem Eintritt zugänglich, der Strand hingegen versperrt. Das hinderte freilich einige Besucher nicht daran, den Zaun zu überklettern, um zum Wasser zu gelangen, wie die Bedienung im benachbarten Restaurant an der Koenigsallee beobachtete. Bademeister waren nicht im Einsatz. Das für die westlichen Stadtteile prominenteste Freibad Wilmersdorf (im Volksmund "Lochowbad") war nicht unter den Sommerbädern aufgeführt, die ihre Saison in den September hinein verlängert haben. Vorsorgliche Anrufe, ob man womöglich bei so einem Wetter anderen Sinnes geworden sei, stießen ins Leere. Niemand nahm ab. Im Strandbad Wannsee dagegen, wo zum Flugtag mit selbstgebastelten Kisten gegen Mittag schon 20 000 Besucher gezählt wurden, meldete man ein Gewühl wie lange nicht mehr. Sigrid Löffler aus der Verwaltung bestätigte einen Andrang wie nie zuvor in dieser Saison. Ob das Bad allerdings mit 60 000 bis 80 000 Gästen einen Rekord aus den zwanziger Jahren brechen könne, sei fraglich. Der freie Eintritt zum Red-Bull-Flugtag aber zog zusätzlich Zehntausende an den See. Bei Temperaturen zwischen 19 und 21 Grad ließen sich viele auch vom trüben Wasser nicht schrecken. Am Endbahnhof Krumme Lanke bot sich gegen Mittag ein typisches Bild: Während Tausende aus den U-Bahnzügen stiegen und sich, mit Körben und Taschen bepackt, in Richtung Krumme Lanke und Schlachtensee auf den Weg machten, stiegen nur vereinzelt Fahrgäste in Richtung Stadt ein.

Meteorologe Donald Becker von Meteofax erinnerte gestern daran, dass das Hoch Xolska bei aller Freundlichkeit namentlich eine tief-dunkle Vergangenheit hat: Tief Xolska trug vor zwei Jahren zum Oder-Hochwasser bei. Als Hoch mit Zentrum über Weißrussland umfasst es weite Teile Mittel- und Osteuropas sowie Skandindaviens. Heute wird das Wetter vermutlich so schön wie in den vergangenen Tagen sein, ein leichter Tiefdruckeinfluss vom Westen her könnte zwar morgen vorübergehend einige Wolken bringen, aber am Mittwoch wird Xolska nach Angaben der Meteorologen mit einem Azorenhoch in Verbindung kommen; abgesehen von einer kleinen Abkühlung am Freitag sollen die kommenden Tage und auch das kommende Wochenende wieder angenehm warm sein. "Zurzeit ist es etwas zu warm für die Jahreszeit", sagte Donald Becker. Und er wies auf die Waldbrandgefahr hin, die in den letzten Tagen beträchtlich gestiegen ist. © 1999

Christiane van Lessen, Ekkhard Schwerk

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