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Berlin: Das Hotel Unter den Linden trotzt allen Abrissplänen - 100 Mark pro Nacht an allerster Adresse

Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt der helle 70er-Jahre-Bau zwischen den neuen Fassaden der Friedrichstraße. Schon seit Jahren droht der Abriss, doch das Hotel "Unter den Linden" trotzt den Stürmen der Zeit.

Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt der helle 70er-Jahre-Bau zwischen den neuen Fassaden der Friedrichstraße. Schon seit Jahren droht der Abriss, doch das Hotel "Unter den Linden" trotzt den Stürmen der Zeit. Touristen aus aller Welt schätzen die zentrale Lage und die günstigen Preise; einige betrachten das Hotel mit Spott und Naserümpfen, Nostalgiker fühlen sich an alte Zeiten erinnert. Innen herrscht eine merkwürdige Mischung aus Alt und Neu. Schwarzer Marmor auf dem Boden, die Wände aus neuem kalten Weiß, von der Decke hängen Kristallleuchter. Sie strahlen mehr vergilbte Eleganz als helles Licht aus. "Es gibt Gäste, die schlagen vor, das Hotel als Nostalgie-Hotel herzurichten und auf den Ostalgie-Tourismus zu setzen, - naja, so unrecht haben sie ja nicht", meint Frau Stepputat, die von ihren Kolleginnen an der Rezeption "Steppi" genannt wird.

1966 als eines der ersten Hotelneubaus errichtet, wurde das "Unter den Linden" zu einem Ost-Berlins Vorzeigehotel. Karla Stepputat, die seit 22 Jahren an der Rezeption im Hotel arbeitet, sagt stolz: "Ja, wir waren schon ein vornehmes Haus." Damals hätten hier ranghohe Diplomaten gewohnt, deren Botschaften in der DDR noch nicht eingerichtet waren. 1973 war der belgische Botschafter der Erste, der hier für einige Monate einzog. "Damals hatten wir eine sehr gute internationale Küche" erzählt Karla Stepputat und weist nach links, wo über einer braungetäfelten Tür "Restaurant" steht. Der Mittelpunkt des ebenfalls holzverkleideten Saales ist die Grillanlage des Restaurants, in der DDR als innenarchitektonische und funktionelle Meisterleistung gelobt. Nach den Diplomaten kamen die Künstler, die Schauspieler, die Sänger von den umliegenden Häusern, von der Staatsoper, dem Schauspielhaus und dem Friedrichstadtpalast. Da waren Größen dabei wie Udo Jürgens, Caterina Valente, Angelika Milster und Karel Gott.

Aber auch Privatbesucher schätzten das Hotel. "Wir waren immer komplett ausgebucht, man musste sich mindestens vier Wochen vorher anmelden." Allerdings war das Leben im Hotel für DDR-Verhältnisse nicht billig. Kostetet das Doppelzimmer anfangs 40 Mark, so lag der Preis vor der Wende schon bei 100 Mark.

Vor zweieinhalb Jahren hat Manfred Ackermann als Direktor die Leitung des Hotels übernommen - er ist einer, der seit Jahrzehnten die Hotellandschaft im Osten mitprägte, das "Berolina", "Palast- und "Grand Hotel" geleitet hat. Kein Mann von gestern, sondern einer, der trotz Abrissplänen weitermacht. "Obwohl keine klaren Aussagen getroffen wurden, haben wir sechs Millionen Mark investiert." Fenster und Fassade wurden erneuert, das Restaurant "Tilia" eröffnet, von dem man den Blick auf das Großstadttreiben hat. Von den 331 Zimmern ist ein Drittel völlig neu ausgestattet.

Ein Viertel der Gäste sind heute Reisegruppen. Doch die Prominenz ist nicht völlig weggeblieben. Kürzlich war der frühere Innenminister Manfred Kanther zu Gast. Und wo einst Diplomaten und Geschäftsreisende, hohe SED-Funktionäre oder Sportler wohnten, übernachten heute Abgeordnete wie Touristen zu günstigen Preisen. In diesem Sommer kostet die Übernachtung im Einzelzimmer 99 Mark. Direktor Ackermann meint: "Es muss auch in der Mitte ein bezahlbares Hotel geben, gerade für Familien. Deswegen gehen wir im Preis herunter und machen den Gewinn durch die Auslastung." Die Rechnung geht seinen Angaben zufolge auf. Sein Haus mit den 200 Zimmer gehört zu denen mit der höchsten Auslastung. Eigentümer ist die Deutsche Interhotel, deren Hauptgesellschafter die Deutsche Bank ist. Mittelfristig soll das Hotel abgerissen werden. Und danach? Neubau, Verkauf des Grundstückes? Was kommt, weiß niemand. Zunächst werden aber noch neue Aufzüge eingebaut.

Jördis Heer

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