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Heißes Thema. Immer wieder wird für bezahlbare Mieten in der Stadt auch für Hartz-IV-Empfänger demonstriert. Foto: dpa

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Berlin: Das ist dem Gericht zu hoch

Zum zweiten Mal scheitert Berlin mit seinen Regeln für Hartz-IV-Bedürftige. Wieder hat das Land die erstattungsfähigen Mieten nicht richtig berechnet.

Das Landessozialgericht hat die Berliner Regelungen bei der Kostenübernahme von Hartz-IV-Mieten für unwirksam erklärt. Das Land Berlin muss nun erneut eine neue Regelung finden, eine Revision gegen das Urteil ist jedoch möglich. Bereits die erste Verordnung war vom Bundessozialgericht gekippt worden. Eine Stellungnahme von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), ob die Verwaltung in Revision geht, war bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht zu erhalten. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Sabine Bangert, forderte Czaja auf, jetzt die Berliner Regelungen rechtssicher zu machen und nicht noch „weitere Klagen vor dem Sozialgericht zu provozieren“. Czaja solle auf eine Revision verzichten. Geklagt hatten eine 46-jährige alleinerziehende Mutter und ihr fünfjähriger Sohn aus Prenzlauer Berg, die laut Auffassung des Jobcenters eine zu hohe Miete zahlen.

Die Begründung des Landessozialgerichts ist unerwartet. Es kam nämlich vor allem zu dem Schluss, dass in der Verordnung, die die Angemessenheit der Kosten für Wohnung und Heizung regeln soll, die Grenzwerte für die Heizkosten nicht vernünftig ermittelt worden sind. Damit seien auch die Richtwerte für eine Bruttowarmmiete, wie sie in der Verordnung genannt werden, nicht rechtmäßig. Wie der Vorsitzende Richter Wolfgang Due ausführte, hat das Land Berlin nicht erhoben, wie sich angemessene Heizkosten ergeben. Es habe stattdessen als Richtwert die „Missbrauchsgrenze“ genommen. Also den Wert, ab dem Heizkosten als überhöht angesehen werden müssen. „Die daraus folgende Verzerrung ist so gravierend“, dass der Summenwert, also die in der Verordnung als angemessen ausgewiesene Bruttowarmmiete, keinen Bestand habe. Due sprach in diesem Zusammenhang von einer unzulässigen Quersubventionierung von überteuerten Nettokaltmieten. Im Klartext bedeutet das, dass wer geringe Heizkosten hat, in einer zu teuren Wohnung wohnen kann, wenn die Bruttowarmmiete innerhalb der angegebenen Grenzwerte liegt. Das Gericht meldete zudem Zweifel an, ob die Art und Weise, wie die Verordnung Mietpreise aus dem Mietspiegel berücksichtigt, richtig ist.

Das Landessozialgericht hat am Donnerstag nicht über die Höhe der individuellen Miete der Klägerin entschieden, sondern nur über die Rechtmäßigkeit der Verordnung.

Streitigkeiten um die Übernahme der Mietkosten durch die Jobcenter gehören zu den häufigsten Klagegründen beim Sozialgericht. Erst im Februar hatte eine Kammer des Sozialgerichts entschieden, dass die Berliner Richtwerte für Hartz-IV-Mieten zu niedrig angesetzt sind und die seit Mai 2012 geltende Verordnung des Senats nicht rechtmäßig ist. Geklagt hatte ein Hartz-IV-Empfänger aus Friedrichshain-Kreuzberg. Der Richter entschied damals, dass die zugrundeliegende Berechnung anhand des Mietspiegels nicht aussagekräftig sei. Außerdem seien die steigenden Mietpreise in der Stadt nicht berücksichtigt worden. Dieses Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig.

In anderen Fällen hatten Richter in ihren Entscheidungen bisher durchaus die Werte der „Wohnaufwendungenverordnung“ des Senats zugrunde gelegt. Nach dieser konnten für einen Einpersonenhaushalt Warmmieten zwischen 380 und 408 Euro übernommen werden. Bei zwei Personen werden Mietkosten zwischen 456 und 489 Euro, bei drei Personen zwischen 566 und 608 Euro, bei vier Personen zwischen 641 und 689 Euro und bei fünf Personen zwischen 739 und 793 Euro gezahlt.

Bereits beim Inkrafttreten der Richtlinie hatten Opposition, Sozialverbände und Mieterverein im vergangenen Jahr bemängelt, die Grenzwerte seien angesichts der steigenden Mieten viel zu niedrig angesetzt. In Berlin erhalten rund 305 000 Haushalte Hartz IV.

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