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Berlin: Das kleinste Maß Polizei: Der Kob ist eine aussterbende Art

Polizisten, die durch exakt beschriebene Straßen Streife gehen, wo sie allen Viertel-Bewohnern bekannt sein sollten, wurden sperrig-programmatisch Kontaktbereichsbeamte genannt und gleich "Kobs" gekürzelt. Dies geschah bei der Polizeireform vor einem Vierteljahrhundert.

Polizisten, die durch exakt beschriebene Straßen Streife gehen, wo sie allen Viertel-Bewohnern bekannt sein sollten, wurden sperrig-programmatisch Kontaktbereichsbeamte genannt und gleich "Kobs" gekürzelt. Dies geschah bei der Polizeireform vor einem Vierteljahrhundert. Wir haben in unserem täglichen Rückblick auf Meldungen vor 25 Jahren ("Berliner Chronik") am 6. Januar den Zwischenstand der Kontaktbereiche wiedergegeben.

Der Kob war aber keine Erfindung, sondern die versuchte Wiederbelebung des Schupos. Anfangs haperte es ein wenig mit der Grundidee. Und es kamen - die Zeit linksextremistischer Umtriebe betrachtend - bösartige Verdächtigungen auf, die Kobs seien so etwas wie Gesinnungsschnüffler für einen schnüffelnden Staat. Und es gab mancherlei enttäuschte Erwartungen, der Schutzmann an der Ecke sei wiedererstanden. Vergangenheiten? Die Polizei sagt, es gebe den Kob noch, aber eben ganz anders nach dem "Berliner Modell", wieder einer Reform. Um es kurz zu machen: Der Kontaktbereichsbeamte sei, so er nicht im Straßenbild erscheint, in der "Dienstgruppe" eines Abschnittes zu erreichen. So sei es denn.

Und so war es: Der Innensenator Kurt Neubauer, ein Sozialdemokrat der alten Schule, war der Reformsenator damals. Ein politisches Urgestein, an dem sich Funken schlagen ließen. Es ist wenigen bekannt, dass er beim Vortrag seiner Abteilungsleiter - na, sagen wir mal: entspannende Minuten dann einlegte, wenn die Sache allzu bürokratisch vonstatten ging. Indes, beim Stichwort Kontaktbereichsbeamter schnellte Neubauer hoch und war ganz Ohr. Den Sinn dieser Schupo-Wiederbelebung konnte einer wie er augenblicklich erfassen.

Es waren mal 756 Kobs in West-Berlin. "Das kleinste Maß Polizei" , so sprach Kob Piehl, "ist der Kob." Piehl begleitete ich mal auf einer Tour durch sein Charlottenburger Revier. Er hatte damals das richtige Kob-Alter, 43 Jahre. Es ging um Gehwegsicherung, um einen hilflosen Mann in einem Auto, bei dem Piehl den Diabetikerpass fand, einerseits dem Hilflosen Mut zusprach, andererseits einen Rettungswagen alarmierte - gibt es engeren Kontakt zwischen einem Schupo und dem Bürger?

Es gab einen Kob, der einen stadtweiten Ruf hatte. Er hieß, wenn mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt, Lewandowski und war erkennbar an einer nie erkaltenden, amtlich geduldeten Zigarre. Er war an heikler Stelle Ordnungs- und Kontaktmann: am Stutti. Der Stuttgarter Platz hatte noch in den siebziger Jahren einen saumäßigen Ruf - auf ganzer Platzausdehnung. Das hat sich geändert, jedenfalls zu einem Drittel, das sehr bürgerlich wurde. Unser Zigarren-Kob besaß die Fähigkeit, bei allen, auch dem Gelichter in Ansehen zu stehen. Da war sein Ansehen gleichauf mit dem der Heilsarmistin Kirchner. Lewandowski konnte sich wie die Kapitänin Kirchner überall blicken lassen, sie genossen Respekt. Der Kob und die Kapitänin Kirch vom einstigen Stutti sind dort nicht mehr bekannt. So geht es eben denen, die einer trockenen Sache Saft gaben. Der Saft verdunstet, die Trockenheit bleibt.

Ekkehard Schwerk

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