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Berlin: Das Klingen der Seele

„Das Geschichtenerzählen ist so sehr in Vergessenheit geraten“, sagt Schauspielerin Erika Skrotzki Im edlen Hotel de Rome wird sie deshalb lesen – besinnliche Texte und Gedichte zur festlichen Teestunde.

Von Susanne Leimstoll

Eine warme Stube, ein leuchtender Tannenbaum ... Erika Skrotzkis eindrücklichste Erinnerung an Weihnachten reicht zurück in ihre Kinderzeit im hessischen Dorf. Im Schlafzimmer wurde das Bett abgeschlagen, an seine Stelle kam der Tannenbaum. Es wurde ein Ofen mit einem langen Ofenrohr hereingebracht. „Dann durften wir Kinder in diesem warmen Raum schlafen, der immer nur zu Weihnachten beheizt wurde.“ Ein paar Jahrzehnte ist das her und klingt wie eine Geschichte aus ferner Zeit, ein bisschen Hans-Christian Andersen, ein wenig Peter Rosegger. Und nun sitzt sie in diesem Ambiente: schwarz und weinrot bezogene Fauteuils mit hohen Lehnen und weichen Kissen, verspiegelte Wände. Auf den Tischen weinrote Amaryllis, auf Anrichten Bouquets regenbogenbunter Glaskugeln. Mitten im Raum die pure Pracht: ein Weihnachtsbaum, über und über geschmückt in Gelb, Rot, Grün, Lila, Pink, Türkis. Der „Opera Court“ des luxuriösen Hotel de Rome in Mitte.

Hier wird die Schauspielerin Erika Skrotzki Weihnachtsgeschichten und -gedichte lesen. Sie wird erzählen von Glück und Armut, vom Zauber des weihnachtlichen Augenblicks trotz aller Not und von festtäglicher Freude. Ein von Pianomusik umrahmtes, poetisches Programm, das den dritten Adventssonntag bei wärmendem Tee, Leckereien und  Lichterglanz auf schönste Weise besinnlich macht.

„Früher haben die Menschen einander Geschichten erzählt, heute hat man eben Vorleser“, sagt Erika Skrotzki. Ein solcher vorweihnachtlicher Nachmittag ist eine Premiere für die Schauspielerin, die bei ihren Rollen auf den guten Mix achtet: derzeit ist sie in der ZDF-Serie „Der Landarzt“ zu sehen, dazwischen spielt sie die „Shirley Valentine“ in Frankfurt auf der Theaterbühne, gleichzeitig bereitet sie sich auf ein Mundart-Stück vor, in dem Ruth Drexel in München und Heidi Kabel in Hamburg auf der Bühne standen. Erika Skrotzki, gebürtige Frankfurterin, die astrein berlinern kann, wird es in Hessisch spielen.

Dass sie nun Weihnachtsgeschichten liest, die „Kultur des Erzählens aufleuchten“ lässt, gefällt ihr. „Das Geschichtenerzählen ist so sehr in Vergessenheit geraten. Aber alte Geschichten beseelen die Menschen. Sie bringen unsere Seele zum Klingen.“ Beim Zuhören zur Ruhe zu kommen in einer hektischen Zeit ist für sie nicht das Entscheidende. „Kontakt mit dem Gemüt aufzunehmen, Selbstbesinnung, das ist wichtiger.“ Und Wärme. „Es ist doch ein schönes Symbol, dass in der dunkelsten Jahreszeit Lichter angezündet werden.“ Auch deshalb bleibt ihr die Erinnerung an die gute Stube von damals so eindrücklich. Und an die kleinen Dramen, über die sie sich jetzt, hier, unterm luxuriösen Weihnachtsbaum kaputtlachen könnte. An den Weihnachtsfeiertagen ihrer Kindheit, erzählt sie, seien Festessen ein zweifelhaftes Vergnügen gewesen. „Es gab Gans oder Hase.“ Tiere, die sie mit den Geschwistern übers Jahr großgezogen hat. Haustiere! „Und wir wussten genau, wer von ihnen an Weihnachten dran glauben sollte. Die Essen war also nie so beglückend wie der Kartoffelsalat mit warmer Fleischwurst an Heiligabend.“ Oder Mutters Plätzchen: Spritzgebäck, nicht besonders schön, ein bisschen angebrannt und auch krumm, aber lecker. Am Nikolausabend kam immer ein Onkel, verkleidet als Weihnachtsmann. Die Kinder fürchteten sich ein bisschen. „Man konnte ja nie wissen, was die Eltern dem Nikolaus erzählt hatten. Aber er hat uns ja doch immer Süßigkeiten gebracht.“

Später hat sie Weihnachten lange abgelehnt: kein Baum, keine Geschenke. Mit der Kindheit ihres Sohnes änderte sich das, da feierten sie mit anderen Familien. Heute bedeutet die stille Zeit für Erika Skrotzki vor allem Rückzug ins Private. „Ich backe gern Plätzchen und Stollen, und wir machen eine Weihnachtsfeier, bei der gesungen wird.“ Ein frohes Fest.

In den Büchern entdeckte sie ganz andere Szenen. Sie sagt, es habe sie erstaunt, wie viele Weihnachtsgeschichten von armen Menschen auf der Welt handelten. Erzählungen, die diese Leben greifbar machen. „Dass ein Junge keine Stiefel hatte, um durch die Kälte nach Hause zu gehen, war im letzten Jahrhundert üblich. “ Das, sagt sie, hat sie erschüttert. Und wie aktuell das Thema Kinderarmut noch immer ist.

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