zum Hauptinhalt

Berlin: Das Landesarchiv verschwindet im Depot: Der Umzug nach Reinickendorf wird zum Desaster

Das Landesarchiv macht bis Juli 2001 dicht. Schon ab 1.

Das Landesarchiv macht bis Juli 2001 dicht. Schon ab 1. Dezember stehen die Sammlungen nicht mehr zur Verfügung, im Januar schließen die Lesesäle in der Kalckreuthstraße und 37 Kilometer Archivgut verschwindet in einem Depot am Westhafen. Eingeschweißt auf Paletten, für viele Monate unzugänglich. Der Grund für diese Notsituation: Der Mietvertrag läuft zum Jahresende aus, bis April 2000 wird das Landesarchiv noch in den alten Räumen geduldet, aber für die Zeit danach hat der Vermieter vorsorglich Räumungsklage eingereicht.

Dies ist dem Senat seit langem bekannt. Deshalb wurde vor gut einem Jahr der Umzug des Landesarchivs mit allen Nebenstellen in eine denkmalgeschützte ehemalige Munitionsfabrik am Eichborndamm in Reinickendorf beschlossen. Ein fast idealer neuer Standort, aber: Ein rechtsgültiger Mietkaufvertrag kam erst am 17. Juli 2000 zustande. Mit den Umbau- und Renovierungsarbeiten konnte erst nach Vertragsabschluss begonnen werden; sie dauern voraussichtlich ein Jahr. Die Grünen-Abgeordnete Alice Ströver gibt dem ehemaligen Kultur-Staatssekretär Lutz von Pufendorf die Schuld an den Verzögerungen. Sabine Preuß vom Landesarchiv sprach gestern von "sehr komplizierten" Verhandlungen.

Leidtragende sind Forschungsprojekte und Doktoranden, die ihre Arbeit unterbrechen müssen, bis das Archivgut wieder zugänglich ist. Aber auch die Suche nach Dokumenten ehemaliger Zwangsarbeiter und die Klärung offener Vermögensfragen wird beeinträchtigt. Zeitweise fragten 30 überlebende Zwangsarbeiter pro Tag nach alten Unterlagen. Die Claims Conference äußerte sich in einem Brief an das Archiv "bestürzt" über die zeitweilige Schließung. Dies sei eine "sehr große Belastung für den Fortgang der Bearbeitung" bislang ungeklärter Fälle. Kultursenator Christoph Stölzl verwies die Claims Conference auf den Internationalen Suchdienst in Arolson, der für Anfragen vorrangig zuständig sei.

Das Landesarchiv hatte im vergangenen Jahr 11 000 Besucher und 50 000 Ausleihen. Damit ist es für fast ein dreiviertel Jahr vorbei, obwohl das Archivgesetz des Landes Berlin dazu verpflichtet, "die Erschließung des Archgivguts zu gewährleisten und es für die Benutzung allgemein zugänglich zu halten." Stattdessen zieht das Landesarchiv gleich zwei Mal um: Zunächst ins Depot, dann erst an den Eichborndamm. Dies verursache erhebliche Mehrkosten, die etatmäßig nicht abgesichert seien, bestätigte Sabine Preuß.

za

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false