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Berlin: Das Landgericht verteilte einen Studenten zu sechs, seinen Komplizen zu viereinhalb Jahren Haft

Seine Eltern haben große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Das ist kein Wunder, denn der junge Mann auf der Anklagebank hat sein Abitur auf einer Privatschule in Istanbul erworben und danach ein Germanistikstudium begonnen.

Seine Eltern haben große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Das ist kein Wunder, denn der junge Mann auf der Anklagebank hat sein Abitur auf einer Privatschule in Istanbul erworben und danach ein Germanistikstudium begonnen. Doch die Eltern wollten ihren Sohn bei sich haben, und so studierte er fortan an der Technischen Universität in Berlin. Es war eine Rückkehr, denn Özdal F. ist in Berlin aufgewachsen. Um endlich Geld zu verdienen, betätigte er sich nach den Vorlesungen und Seminaren als Berater für Finanzanlagen.

"Man kann als Anlageberater viel Geld verdienen, wenn man innovativ ist", sagt der Angeklagte, und die Richter der 6. Großen Strafkammer signalisieren etwas gelangweilt Zustimmung. Im Saal 606 des Kriminalgerichts Moabit geht es nämlich nicht um Investitionen und Börsengeschäfte, sondern um zweieinhalb Kilogramm Kokain. Zwei kiloschwere, in Platten gepresste Packungen mit dem Label des Herstellers darauf hat die Polizei am 26. April 1999 in der Wohnung des Angeklagten in der Sanderstraße in Neukölln gefunden. 13 fertig gemischte Portionen haben die Beamten aus seinem Hausbriefkasten geholt.

"Die Lieferung ist von Landsleuten gekommen", sagt der 29-jährige Türke und spricht über sein Motiv. "Ich habe mir letzten März viel Geld geborgt, die Gläubiger haben mich gezwungen, für sie eine Arbeit zu verrichten", sagt er. Namen will er nicht nennen, denn "die Jungs verstehen keinen Spaß. Es wäre nicht gesund für mich, wenn ich ihre Namen sage. Die rächen sich auch nach fünf oder zehn Jahren." Offen bleibt die Frage, ob die Hintermänner nicht doch nur im Kopf des Angeklagten existieren.

Neben ihm sitzt ein kleiner, bleicher Mann, der nach seinen Worten in den letzten Jahren viel Pech gehabt hat. Der 44-jährige Peter B. hat bei "dem Geschäft" mitgemacht, um sein Arbeitslosengeld aufzubessern. "Ich rauche abends Haschisch, weil es den Appetit anregt", sagt er. Das ist aber nicht alles, er hat das Zeug sogar auf seinem Balkon angebaut. "Die zehn Cannabispflanzen waren doch nicht zum Rauchen, damit wollte ich nur meine dürren Palmen auffüllen", sagt er, und die Richter schmunzeln. Jedenfalls kannte er jemanden, der als Käufer für das Kokain in Frage kam, "einen Araber". Doch die beiden angeblichen Gelegenheitsdealer haben Pech: "Der Araber" ist ein V-Mann, der im Rauschgift-Referat des Landeskriminalamtes ein- und ausgeht. Der Mann kommt in die Sanderstraße, prüft die Ware, und geht fort, "um das Geld zu holen". Fünf Minuten später ist ein ganzes Polizeikommando da, nimmt die Angeklagten fest und findet das Kokain. Aus Özdal F.s Tasche rutscht den Beamten eine elektronische Feinwaage zum Portionieren entgegen.

Eine ziemlich klare Sache, die Richter brauchen nicht lange für ihre Entscheidung: Özdal F. bekommt sechs Jahre Haft, sein Komplize viereinhalb Jahre.

brun

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